Oberflächlich betrachtet ist die 25-jährige Grazerin Mirjam eine normale junge Frau. „Ein blitzgescheites Mädel ohne körperliche Behinderung und gut in der Lage, ihren eigenen Haushalt zu führen“, wie ihre Mutter Barbara Gastgeber-Possert erzählt. Sie muss in dieser Geschichte für ihre Tochter sprechen, weil diese es nicht kann. Fremden gegenüber versagt Mirjam nämlich die Stimme. Mit Nähe, Kontakt, Berührung oder auch nur einem Foto von sich tut sie sich schwer. Im öffentlichen Raum fühlt sie sich schnell bedrängt, Bus und Straßenbahn hält sie nicht aus. Mirjam leidet seit ihrem 13. Lebensjahr an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und an einer Sozialphobie - ein paar andere Plagegeister kommen noch hinzu. „Ein furchtbares Leben“, wie ihre Mutter mit Tränen in den Augen erzählt.

Und dann kam Lili. „Wo die Schulmedizin aufhört, haben wir jetzt zum Glück noch Hilfe auf vier Pfoten gefunden“, erklärt Mirjams Mutter. Was Lili so besonders macht? „Sie wurde als sogenannter PTBS-Assistenzhund genau auf Mirjams Bedürfnisse trainiert, um ihr im täglichen Leben, in den Öffis und wo auch immer sie es braucht, Platz und Raum zu geben – um sie zu beschützen, Tag und Nacht. Lili gibt Mirjam außerdem den sonst nicht möglichen Körperkontakt.“

Und das kam so: „Heuer im Jänner habe ich auf Arte zufällig einen Bericht über Assistenzhunde gesehen, die Menschen helfen, die ähnliche Symptome wie Mirjam haben. Dass es so etwas gibt, wusste ich bis dahin nicht. Ich habe daraufhin recherchiert und in Salzburg die ,Partner-Hunde Österreich‘ von Elisabeth Färbinger gefunden, die mir durch ihre Vorreiterrolle in Österreich am kompetentesten vorkam“, erzählt die Mutter, und diesmal sind es Tränen des Glücks, die sie in ihren Augen hat.


In den meisten Fällen dauert es nämlich mehr als ein Jahr, bis man einen Assistenzhund nach Hause mitnehmen kann. „Wir konnten Lili schon nach sechs Monaten in Salzburg abholen, und die Finanzierung, die ich allein nie hätte stemmen können, hat zu unserem großen Glück der Verein ,Steirer mit Herz‘ übernommen“, sagt die Mutter.

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Zur Vergabe der Hunde lässt uns Elisabeth Färbinger wissen: „Bei uns haben Bewerber keine Nummer, man muss zu seinem Hund passen, und der Charakter des Hundes muss seiner Aufgabe entsprechen.“ Sie könne unmöglich einen Welpen aussuchen und diesen für jemanden trainieren. Erst wenn der Hund etwa zehn Monate alt ist, sei klar, für welche Aufgabe er am besten geeignet ist, um ihn schließlich einem Bewerber zuzuordnen und individuell auf ihn zu trainieren.

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Mirjam und Lili waren anscheinend füreinander bestimmt. Als im Juli beide nach 14 Tagen intensivem Training in Salzburg gemeinsam in Graz ankamen, war klar, dass sich Mirjams Leben zu 180 Grad geändert hat, wie sie uns schriftlich wissen lässt. Die Mutter sagt: „Ich habe meine Tochter in den vergangenen Wochen mehr lächeln sehen als in den Jahren zuvor.“ Und für Mirjam ist klar, dass Lili in Zukunft auch ihre Mutter entlasten wird. Weil der Hund rund um die Uhr bei Mirjam ist und mit beharrlichen Stupsern verhindert, dass sie sich ganz in ihren dunklen Momenten verliert.

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„Zuerst hatte ich Angst, dass sich Mirjam mit einem Assistenzhund, der ja ein auffälliges blaues Deckerl trägt, gebrandmarkt fühlt“, schildert die Mutter ihre Bedenken. „Aber Mirjam hat gemeint, mit dem Hund sei sie nicht mehr gebrandmarkt als bisher schon durch ihre Körpersprache und das häufig verweinte Gesicht.“ Jetzt sorgt Lili dafür, dass es Mirjam im öffentlichen Raum nicht zu eng wird, indem sie sie etwa an Bushaltestellen von sich aus hartnäckig umkreist oder sich groß vor Menschen aufbaut, die Mirjam gefühlsmäßig zu nahe kommen.
„Das größte Problem, das wir haben, ist, dass die Leute nicht lesen, was auf Lilis blauem Deckerl steht“, sagt Gastgeber-Possert. „Nicht stören“ ist da aufgedruckt. Viele versuchen aber, Lili anzulocken, und sprechen Mirjam auf ihren Hund an. Beides ist für sie kaum zu ertragen. Um sich zu wehren, fehlt ihr aber die Stimme. Diese Botschaft ist ihr also ganz besonders wichtig: „Wer einen Assistenzhund hat, hat ihn nie ohne Grund. So ein Tier hat eine Aufgabe und darf dabei nicht gestört werden.“
Freizeit ist für Lili daheim im Garten angesagt: Dort tollt sie mit Familienhund Caya umher.