Als Autor sind Sie vor allem für ihre unzähligen Kindergeschichten bekannt. Wie kommt es, dass Sie jetzt einen Liebesroman für Erwachsene geschrieben haben?

Thomas Brezina:Ich suche mir im Leben immer neue Herausforderungen. Der Wunsch, eine Liebesgeschichte zu schreiben, ist über die letzten Jahre in mir gewachsen. Im vergangenen Herbst hab ich plötzlich gesagt: „Jetzt möchte ich das machen.“ Im Roman schreibt die Protagonistin Liebesbriefe an einen Unbekannten, nur für sich selbst. Das habe ich selbst auch gemacht. Und dabei ist mir die Idee gekommen, wie es wohl wäre, wenn auf diese Briefe plötzlich eine Antwort kommen würde. Das war der Ausgangspunkt für diesen Roman.

Gibt es noch mehr autobiografische Erfahrungen in Ihrem Roman?

Brezina: Autobiografisch schreibe ich nur dann, wenn ich im Leben etwas gelernt habe, von dem ich mir denke, es könnte auch für andere wichtig sein. Der Roman spielt in Brighton, wo ich selbst zwei Jahre lang gelebt habe. Ich kenne den Ort und das Gefühl dort sehr gut und das wollte ich erzählen. In Brighton wird jeder so genommen, wie er oder sie ist. Die Vielfalt der Menschen wird dort gelebt. Und noch etwas anderes ist mir sehr wichtig: die Selbstverständlichkeit. Es geht darum, nicht ständig zu urteilen, sondern Menschen so leben zu lassen, wie es sie erfüllt und glücklich macht.

Ihre Protagonistin muss auf ihrem Weg viele Krisen durchleben. Sind solche Rückschläge notwendig, um das Leben richtig schätzen zu lernen?

Brezina: Alle Menschen, die ich kennengelernt habe und die ein erfülltes Leben gelebt haben, waren bis zu ihrem letzten Atemzug neugierig und gewillt, dazuzulernen. Keiner von uns wünscht sich Krisen, aber sie passieren. Sie sind ein Teil des Lebens und ich habe zwei Möglichkeiten: Entweder ich leide vor mich hin, oder aber ich leide nur ein bisschen – das gehört ja auch dazu -und frage mich dann: „Was kann ich machen? Wie kann ich aus dieser Situation wachsen?“ Aus eigenen Krisen habe ich etwas Wichtiges gelernt: Um eine starke Beziehung zu leben, ist es unumgänglich, dass ich mit mir selbst optimal zufrieden bin. Dass ich niemanden brauche, aber sehr gerne einen Menschen an meiner Seite will.

Was macht Sie in einer Beziehung glücklich?

Brezina: Man muss den anderen so nehmen können, wie er ist. Gemeinsame Interessen sind etwas sehr, sehr Schönes und lassen einen wunderbare gemeinsame Momente erleben. Aber die gemeinsamen Werte sind das, was auf Dauer zusammenhält.

In Ihrem Roman spielt auch das Thema Familie eine große Rolle. Welche Werte sind für Sie innerhalb einer Familie wichtig?

Brezina: Weltoffenheit ist eindeutig einer davon. Eltern haben eine große Vorbildfunktion für ihre Kinder. Wenn Eltern weltoffener sind, dann wird das Kindern ein Leben lang helfen, auch offen auf andere zuzugehen. Respekt halte ich für einen der wichtigsten Werte innerhalb einer Familie. Respekt vor allem: vom Menschen, vor Tieren und vor der Natur. Und auch Verständnis halte ich für einen unverzichtbaren Aspekt. Wirklich zu versuchen, den anderen zu verstehen. Das ist nicht immer einfach, aber es lohnt sich.

Erscheint am 10.11.2019: Liebesbrief an Unbekannt. edition a, 400 Seiten, 20 Euro.
Erscheint am 10.11.2019: Liebesbrief an Unbekannt. edition a, 400 Seiten, 20 Euro. © edition a

Haben Sie die Erfahrung gemacht, solche Werte von Ihren Eltern vermittelt zu bekommen?

Brezina: Meine Eltern waren für mich sehr wichtige Menschen, von denen ich eine Lebensweisheit mitbekommen habe: Man soll im Leben Dinge tun, die einen selbst begeistern und mit denen man auch für andere etwas Gutes tun kann. Das war für mich sehr wichtig. Meine Eltern leben nicht mehr, aber ich hab vor sieben Jahren sozusagen eine „neue Familie“ gefunden. Damals sind Freunde wirklich zu mir gekommen und haben gesagt: „Was du brauchst, ist Familie. Du brauchst einen Hafen, wo du immer hingehen kannst.“

Wie erleben Sie diesen „neuen“ Hafen in Ihrem Leben?

Brezina: Man ist natürlich miteinander befreundet. Aber es ist mehr als das. Man weiß, dass man immer mit allem kommen kann. Ganz egal, in welchem Zustand man gerade ist, man wird immer willkommen sein. Man kann gemeinsam Dinge erleben, ob es das Weihnachtsfest ist – darauf freuen wir uns jetzt schon – oder nur ein kurzes Zusammentreffen abends. Zentral ist die Anteilnahme, egal ob es um besonders erfreuliche Dinge oder schwere Zeiten geht. Diesen Hafen habe ich sehr zu schätzen begonnen. Ich bin heute unendlich dankbar, dass ich diese neue Familie habe.