Neben Depressiven seien auch Schizophreniepatienten gefährdet, erklärte der Wiener Psychiater Nestor Kapusta im Rahmen eines Hintergrundgesprächs in Wien: "90 Prozent aller Personen, die Suizid begangen haben, hatten eine psychische Erkrankung." Laut wissenschaftlichen Studien ist das Suizidrisiko bei Schizophrenen - etwa ein Prozent der Menschen sind von dieser Krankheit betroffen - im Vergleich zur Gesamtbevölkerung um das 8,5-Fache erhöht. Die Gefährdung bei Menschen mit Depressionen steigt auf das etwa 20-Fache.

Psychisch Kranke sind laut wissenschaftlichen Studien einerseits häufiger Opfer von Gewalt. Auf der anderen Seite kann - zum Beispiel bei Vorliegen einer Schizophrenie - auch zeitweise eine erhöhte Gewaltbereitschaft auftreten. "Das Risiko, eine leichte Körperverletzung zu begehen, war in der Gruppe Schitzophrenie-Kranker gegenüber der Allgemeinbevölkerung um ein Zweifaches erhöht, das Risiko für schwere Körperverletzungen um ein Vierfaches - und das Risiko für ein Tötungsdelikt um ein Achtfaches", sagte die Linzer Gerichtspsychiaterin Heide Kastner.

Nicht vorschnell verurteilen

Aus solchen Statistiken eine besondere Gefährdung abzuleiten, sei aber auch falsch. "Mit einer Erkrankungshäufigkeit von einem Prozent ist jedenfalls das Risiko, Opfer eines psychotisch motivierten Gewalttäters zu werden, deutlich geringer als das Risiko, Opfer eines psychisch gesunden Täters zu werden. Deshalb hat die generelle Mahnung vor der von Schizophrenie-Kranken ausgehenden Gefährlichkeit wenig alltagspraktische Relevanz. Immer wieder dient sie dazu, die Stigmatisierungpsychisch Kranker allgemein argumentativ zu untermauern", sagte die Expertin.

Frühzeitig erkennen

Frühzeitige Diagnose und optimale Therapie verringern sowohl das Suizid- als auch das Risiko für Gewaltausbrüche infolge mangelhafter Impulskontrolle und auftretenden Wahnvorstellungen. "Schizophrenie ist heute zumeist gut behandelbar, wenn auch noch allzu häufig nicht heilbar", erläuterte Christoph Correll, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Charite-Universitätsklinik in Berlin.

Die Behandlung setze sich im Idealfall aus einer individuell abgestimmten Kombination von medikamentöser Behandlung, Psychotherapie und anderen therapeutischen Verfahren wie Ergotherapie, Soziotherapie etc. zusammen. Als Medikamente kommen Antipsychotika zum Einsatz, welche die Botenstoffe in bestimmten Gehirnregionen so beeinflussen, dass vor allem die psychotischen Positiv-Symptome (z.B. Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Zerfahrenheit der Gedanken) gehemmt werden.

Dauer der Therapie

"Der Therapieerfolg ist maßgeblich von der Dauer der unbehandelten Psychose abhängig. Je schneller nach Auftreten der ersten psychotischen Phase mit einer geeigneten Therapie begonnen wird, desto besser wirkt sich dies auf den weiteren Verlauf aus", betonte der Experte. Es gelte, Rückfälle in psychotische Phasen unbedingt zu verhindern - denn das Gehirn lerne nicht nur "Ski zu fahren", sondern es "erlerne" auch Psychosen: Je mehr Rückfälle der Patient erleide, desto schneller entwickle er eine weitere psychotische Episode und desto schwerer komme er wieder heraus.

"Rückfälle produzieren mehr Symptome - und die Symptome produzieren wiederum mehr Rückfälle. Rückfälle verschlechtern auch das Ansprechen auf die medikamentöse Therapie enorm. Es steigt auch das Risiko für eine sekundären Therapieresistenz als auch für eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten", erklärte Correll.