Prinzipiell haben Passagiere nach EU-Recht bei Flugverspätungen von mehr als drei Stunden Anspruch auf Entschädigung. Herr P. wähnte sich also auf der sicheren Seite, als ihn „Germanwings“ bei seinem Flug von Dublin nach Düsseldorf drei Stunden und 28 Minuten warten ließ. Die Airline lehnte eine Ausgleichszahlung allerdings mit der Begründung ab, dass die Flugverspätung auf die Beschädigung eines Flugzeugreifens durch eine Schraube auf der Start- oder Landebahn zurückzuführen sei, und damit einen Umstand, der als außergewöhnlich im Sinne der Fluggastrechteverordnung der Union (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 - ABl. 2004, L 46, 1) zu qualifizieren sei und sie von ihrer in dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichspflicht befreie.

Das Landesgericht Köln, bei dem die Rechtssache anhängig ist, beschloss, dem Europäischen Gerichtshof die Frage, ob es sich hier tatsächlich um außergewöhnliche Umstände handelt, zur Vorabentscheidung vorzulegen. Die Antwort des EuGH lautete jetzt: „Ja“.

Was sich nicht vermeiden lässt

Nach Auffassung des EuGH ist ein Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, den Passagieren Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung des Fluges bzw. dessen um drei Stunden oder mehr verspätete Ankunft auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, und es bei Eintritt solcher Umstände die der Situation angemessenen Maßnahmen ergriffen hat, indem es alle ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel eingesetzt hat, um zu vermeiden, dass es dadurch zur Annullierung oder zur großen Verspätung des betreffenden Fluges kommt, ohne dass jedoch von ihm angesichts seiner Kapazitäten zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer verlangt werden könnten.

Als außergewöhnliche Umstände im Sinne der Fluggastrechteverordnung könnten Vorkommnisse angesehen werden, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens seien und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar seien. Zwar seien Luftfahrtunternehmen regelmäßig mit Reifenschäden ihrer Flugzeuge konfrontiert, jedoch könne der Reifenschaden, der ausschließlich auf die Kollision mit einem Fremdkörper auf dem Rollfeld des Flughafens zurückzuführen sei, nicht seiner Natur oder Ursache nach als Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens angesehen werden. Im Übrigen sei dieser Umstand von diesem nicht tatsächlich beherrschbar. Er sei daher ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung.

Was man vor Airlines erwarten kann

Um sich jedoch von seiner Ausgleichspflicht nach der Fluggastrechteverordnung zu befreien, hat das Luftfahrtunternehmen auch nachzuweisen, dass es alle ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel eingesetzt hat, um zu vermeiden, dass der Austausch des durch einen Fremdkörper auf dem Rollfeld eines Flughafens beschädigten Reifens zu dieser großen Verspätung des betreffenden Fluges führt. Insoweit weist der Gerichtshof speziell zu Reifenschäden darauf hin, dass die Luftfahrtunternehmen auf allen von ihnen angeflogenen Flughäfen Verträge über den Reifenaustausch schließen können, die ihnen eine vorrangige Behandlung gewährleisten.