Es ist der nächste herbe Rückschlag für die Alzheimer-Forschung: Mit Biogen stoppt ein weiteres großes Pharmaunternehmen zwei Studien zu einem neuen Wirkstoff.

Ein unabhängiges Kontrollgremium sei zu dem Schluss gekommen, dass der Antikörper Aducanumab nicht die erwünschte Wirkung zeige, teilte Biogen mit. "Diese enttäuschenden Nachrichten bestätigen die Komplexität der Behandlung von Alzheimer", sagte Biogen-Chef Michel Vounatsos. Der Konzern will seine Forschung auf diesem Gebiet aber fortsetzen.

Eine Zwischenanalyse der beiden Phase-3-Studien mit mehr als 3.200 Probanden habe keinen Hinweis auf einen Erfolg der Studien gegeben. Aducanumab sollte auf Grundlage einer Immunisierung wirken. Es handelte sich um einen Antikörper, der sich gegen das für die Alzheimer-Krankheit charakteristische Beta-Amyloid richtete. Die Hoffnung war, den Verlauf der Alzheimer-Erkrankung dadurch zu verlangsamen.

"Ein herber Rückschlag für Patienten"

„Der Stopp der Aducanumab-Entwicklung ist zunächst einmal ein herber Rückschlag für Millionen Alzheimer-Patienten und ihre Angehörigen weltweit", sagt Christian Leibinnes, Sprecher der gemeinnützigen Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI). Darüber hinaus sei es aber auch ein Rückschlag für die Wirkstoffentwicklung auf dem Gebiet der Alzheimer-Krankheit.

"Wir müssen befürchten, dass andere Unternehmen ihr Engagement in der Alzheimer-Forschung nun kritisch überprüfen. Und zu guter Letzt ist es auch ein Rückschlag für die Amyloid-Hypothese", sagt Leibinnes.

Wonach Pharmafirmen fieberhaft suchen, ist die sogenannte Impfung gegen Alzheimer: Darunter versteht man Antikörper, die in der Lage sind, jene Eiweißablagerungen aus dem Gehirn „herauszubringen“, die für den typischen geistigen Abbau verantwortlich sind.

Mehr als 100 klinische Studien erbrachten bisher keine wirksame Therapie für die schnell fortschreitende Demenzerkrankung, bei der sich im Gehirn der Betroffenen giftige Eiweißklumpen ansammeln, die die Nervenzellen schädigen.

"Nicht völlig überraschend"

Erst Anfang Februar hat der Pharmariese Roche hat zwei schon weit fortgeschrittene Studien mit einem Medikament abgebrochen, nachdem sich abgezeichnet hatte, dass der Wirkstoff nicht den gewünschten Effekt bringen wird.

Damals sagte Reinhold Schmidt, Neurologe und Alzheimer-Experte an der Med Uni Graz: "„Ja, es ist ein weiterer Rückschlag, aber er kommt auch nicht völlig überraschend, da schon andere solche Antikörper nicht erfolgreich waren.“

Neben den Antikörpern gegen das Eiweiß Beta-Amyloid suchen Firmen nun auch nach Impfungen gegen das Tau-Protein, ein anderes Eiweiß, das ebenfalls an der Alzheimer-Erkrankung beteiligt ist. Im letzten Jahr sorgte der Konzern Pfizer für Aufsehen, der die Alzheimer-Forschung komplett einstellte. „Noch gibt es aber eine Vielzahl weiterer Forschungsprogramme. In fünf bis sieben Jahren werden wir mehr wissen“, sagt Schmidt.

Mega-Crash an der Börse

Für Biogen brachte dieser Flopp einen Mega-Crash an der Börse: Die Aktien von Biogen sackten zur Eröffnung an der Wall Street um knapp 30 Prozent auf ein Drei-Jahres-Tief von 229,11 Dollar (201,79 Euro) und steuerten auf den größten Tagesverlust seit 14 Jahren zu. Dadurch schrumpfte der Börsenwert um rund 17 Milliarden auf gut 45 Milliarden Dollar.