Die Fotos aus dem Jahr 2012 sprechen Bände. In diesem Jahr kaufen Christine und Manfred Weitzer „die Keuschn“ in der Oststeiermark. Etliche Jahre Leerstand haben tiefe Spuren hinterlassen und der Charme der Gebäude ist wohl nur mehr für Menschen mit einem geschulten Blick erkennbar. Und für Menschen mit dem nötigen Enthusiasmus, diesen Charme retten zu wollen

Beides haben die Weitzers, die aus der unmittelbaren Gegend stammen und schon vor Jahren nur ein paar Kilometer entfernt ein Kellerstöckl zu ihrem komfortablen Familienwohnhaus um- und ausbauten. 1710 ist die Jahreszahl, die bei den Sanierungsarbeiten – in einen Balken geschnitzt – gefunden wird. Zumindest ein Gewölbe des als Dreiseithof klassifizierten Anwesens dürfte noch älter sein. Eine Luftaufnahme zeigt, dass es Teil einer Kellerzeile aus ursprünglich ähnlichen Bauten ist. Von Weingärten in der Gegend ist bereits in einer Urkunde 1427 die Rede. Eine offensichtlich alte Rebe im Hof erinnert malerisch an diese Vergangenheit.

Bald nach dem Erwerb der Liegenschaft beginnt das Ehepaar mit dem Entrümpeln und erinnert sich: „Das Haus war von oben bis unten vollgestopft mit Dingen.“ Einige hat man behalten, etwa eine hölzerne Konstruktion, „über die wir lange gerätselt haben“.
Ein Nachbar kann weiterhelfen, er stellt ein „Topferl“ ins Gestell, fertig ist das Klo für Kleinkinder, das er selbst noch benutzt hat. Gerettet wurde auch ein Steyr Fiat 126 mit einem 25-PS-Puch-Motor, Baujahr 1975. Mittlerweile ist das Gefährt ebenfalls mustergültig revitalisiert und zugelassen.

Die Liebe zu alten Ziegeln

Jede Minute Freizeit geht in aufwendige Sanierungs- und Renovierungsarbeiten. Das Dach muss großteils erneuert werden, für ein neues mit Schaf- und Steinwolle gedämmtes Dach sind die Sparren zu hinfällig. Das mühsame Überklauben der handgeschlagenen Dachziegel erbringt rund ein Drittel brauchbares Material. Den Rest findet man bei Fahrten über Land und einschlägigen Händlern. Wann immer die Weitzers von einem Abriss hören, sind sie vor Ort.

Alte Ziegel, Türen, Kachel und Kachelöfen werden auf diese Weise vor der Entsorgung gerettet und mithilfe kompetenter Handwerker liebevoll zu neuem Leben erweckt. „Noch gibt es Menschen, die wissen, wie gewisse Dinge gemacht werden“, sagt Manfred Weitzer, aber manchmal finde man diese Könner gar nicht so leicht.

Sammelleidenschaft

Auch Fetzenmärkte sind gern besuchte Orte. „Manchmal hat man Glück“, sagt Christine und erzählt von Beschlägen und Schlössern, die man dort aufgetrieben hat und nach wie vor aufzutreiben versucht: „Denn vieles ist natürlich noch nicht fertig.“ Aber nicht alles lässt sich im Original auftreiben. Wie die Grazer Fenster, die im Lauf der Zeit durch Einfachfenster ersetzt worden waren. Jene Doppelfenster, deren äußere Flügel sich nach außen, die inneren nach innen öffnen. Nur im Badezimmer entschied man sich für das Wiener Modell des Kastenfensters, bei dem sich alle Flügel nach innen öffnen: „Teuer, aber seinen Preis wert.“

Aufwendig auch der Ausbau des Dachgeschoßes, in dem nun ein großzügiger Wohnbereich und das Zimmer für Sohn Paul Platz findet. Mehr als 300 Quadratmeter Lehmplatten verkleiden die Räume und sorgen weiß gestrichen für eine so klare wie behagliche Atmosphäre. Hier wurde ein Holzboden verlegt, sonst (abgesehen von einem schon vorhandenen Lärchenboden in der Stube) entschied man sich für neue Böden aus alten Ziegeln. Und Fußbodenheizungen, deren Wärme eine Luftwärmepumpe liefert.

Steirisches Wahrzeichen

Der Balanceakt zwischen Erhaltung und Erneuerung ist gelungen und wurde deshalb heuer auch gewürdigt: Der Dreiseithof von Christine und Manfred Weitzer wurde vom Steirischen Revitalisierungsfonds als „Steirisches Wahrzeichen“ ausgezeichnet: „Obwohl wir noch gar nicht fertig sind.“ - Das geht schon in Ordnung.