Ein windiger Herbsttag in Wien. Madeleine Alizadeh alias Dariadaria nimmt sich vor ihrer Veranstaltung „Wear it right“ Zeit für ein Gespräch. Im Gartenbaukino wird die Doku „The True Cost“ gezeigt und die Designerinnen Sabinna Rachimova (sabinna) und Safia Minney (People Tree) werden über die Herausforderung berichten, Mode und Nachhaltigkeit unter einen Hut zu bringen.

Sie haben eine eigene Kleidungslinie, um eine Alternative zur Fast Fashion zu bieten. Man ist dann aber doch überrascht, wenn man sieht, dass Sie in Bangladesch produzieren lassen.
Madeleine Alizadeh: Bangladesch ist an sich nichts Schlimmes. Es ist in Verruf geraten, weil es dort so viel Fast Fashion gibt. Aber aus einem Billiglohnland wegzugehen, würde nichts verändern. Mein Ziel ist, faire Produktionen im Billiglohnland zu finden, die fair bezahlen und die den Standard aus dem System heraus verändern. Würde ich ein Shirt in Deutschland produzieren, würde es rund 70 Euro kosten. Ich muss günstiger sein. Ich kann die Modeindustrie nur von innen ändern. Und das geht nur, indem ich Shirts mache, die mit Zara & Co. mithalten können, vom Design her, und die vom Preis her eben ein bisschen teurer sind, aber eben fair produziert wurden.

Öko, bio, fair, nachhaltig: Labels, die sich viele umhängen. Ist das bloß ein Trend oder findet Veränderung statt?
Natürlich ist das ein Trend. Viele denken, dass es deswegen gleich etwas Schlechtes ist. Ich finde, Trends sind gut, weil sie die Masse erreichen. Worauf man nur aufpassen muss, ist, dass nicht nur noch dieser „slacktivism“ stattfindet, das bedeutet: schlaffer Aktivismus. Also, wenn Menschen denken, dass sie sehr viel getan haben, wenn sie etwas posten. Es ist immer noch besser, als nichts zu tun. Aber man darf nicht den Eindruck kriegen, dass man mit Postings allein die Welt verändern kann.

Zum Thema Einsatz zeigen: Nachdem Sie sich 2015 in Traiskirchen für Flüchtlinge eingesetzt haben, haben Sie viele Hasspostings bekommen. Wie sind Sie mit dieser dunklen Seite des sozialen Mediums umgegangen?
Man muss festhalten, dass Hass im Netz Frauen gegenüber generell sexualisiert ist. Da stehen Sachen wie „du gehörst vergewaltigt“ oder „du hast wahrscheinlich deine Tage“. Auch wenn es nur Hass ist, spielt er auf die Sexualität der Frau an. Ich habe es anfangs persönlich genommen. Inzwischen kann ich sehr gut differenzieren.

Sie haben damals ja auch Morddrohungen bekommen. Haben Sie die Polizei eingeschaltet?
Nein, das kann man schwer nachverfolgen. Es sollte eine Verfassung für das Internet geben, weil jeder Arbeitsplatz vor Anfeindungen geschützt ist. Das Internet ist mein Arbeitsplatz und der ist gar nicht geschützt.

Sie werden oft kritisiert und jene „Punkte“ an Ihnen gesucht, die nicht so nachhaltig sind. Was, denken Sie, ist der Grund dafür?
Das ist klassische Projektion. Das sind oft Menschen, die selbst nicht so nachhaltig leben und sich deswegen schlecht fühlen. Und wenn sie dann an mir etwas finden, das nicht so toll ist, haben sie die Möglichkeit, dieses schlechte Gefühl auf mich zu projizieren, und rechtfertigen damit ihr eigenes schlechtes Verhalten.

Die Frage mag etwas eigenartig klingen, aber wie schön darf nachhaltig und öko sein?
Es ist wie mit dem Feminismus. Er ist wieder voll in der Popkultur drinnen und da stellt sich auch die Frage, wie viel Popkultur verträgt der Feminismus? Und so ist es hier: Wie viel Ästhetik verträgt dieser Bereich? Aber ich finde, gerade hier ist es gut, wenn es schön ausschaut, denn so erreicht man Menschen mit Designanspruch. Ich bin eine Ästhetin und will, dass Dinge schön aussehen. Wenn mir das als Hardcore-Öko schon so wichtig ist, dann wird das jemandem, der jeden Tag zu Zara geht, noch tausendmal wichtiger sein. Und diese Menschen muss man auch irgendwie erreichen.