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Hier der Spargel dort die Stadt

RUNDGANG: Der Nino aus Wien trägt seine Stadt in seinem Namen. Mit uns hat der Musiker eine Führung der besonderen Art unternommen – inklusive Duftnote. Text: Bernd Melichar, Fotos: Katharina Fröschl

Hier der Spargel dort die Stadt

Recht erstaunt war der Taxifahrer, als ich ihm diese Adresse angegeben habe. Warum treffen wir uns hier? NINO AUS WIEN: Hier bin ich aufgewachsen, hier wohnen meine Eltern. Die besuche ich heute zum Spargelessen. Kein Scherz jetzt? Du bist also in der Spargelfeldstraße aufgewachsen und kommst heute hierher, um bei deinen Eltern Spargel zu essen. Genau. Schau, das ist ein Klassiker: Drei große Spargelessen pro Saison – das ist für meine Familie fast wichtiger als Weihnachten. Es haben ja nicht immer alle Zeit. Und wenn dann alle zusammenkommen, beim Spargelessen eben, hat das einen hohen Stellenwert bei uns. Und meine Mutter macht natürlich den besten Spargel der Welt.

Du hast noch kein Lied über die Spargelfeldstraße geschrieben. Wäre doch aufgelegt, oder?
Mir ist noch nix Gscheites eingefallen. Vielleicht, weil es zu naheliegend ist, eben aufgelegt. Ges­tern habe ich übrigens ein Lied geschrieben. Es heißt „Katzen“ – ich hab ja selbst zwei.

Du magst die Gesellschaft von Katzen. Wo fühlst du dich geografisch gesehen wohl?
Vor allem im Süden. Zwischen Triest und Venedig bin ich oft. In Venedig war ich erst unlängst wieder, bei einem Videodreh. Das war ein bissl arg. Ich habe einen Stunt gemacht, der hatte mit dem Meer zu tun, dabei habe ich mir zwei Rippen gebrochen. Ich bin im Kanal gelandet, auch kein Scherz jetzt.

Und Wien? Du trägst immerhin diese Stadt in deinem Namen.
Mir ist nichts Besseres eingefallen. Inspiriert wurde ich vom Anton aus Tirol. Den habe ich im Fernsehen gesehen, ich hab mich dann nur spaßhalber auf MySpace „Nino aus Wien“ genannt – und das ist picken geblieben. Ab diesem Moment haben mir auch Leute geschrieben: „Hey, coole Musik!“ Vorher hat mir niemand geschrieben. Schon eigenartig. Also hab ich den Namen behalten.

Magst du Wien?
Ja, schon. Ich liebe diese Stadt sogar – auf meine Art. Ich will zwar immer weg, ich sehne mich nach dem Meer, aber ich komme immer wieder zurück. Ich könnte mir keine andere Stadt vorstellen, wo ich leben möchte – außer vielleicht Graz. keyboard_arrow_right

keyboard_arrow_rightWieder ein Scherz?
Nein! Graz taugt mir echt sehr. Ich könnte mir sogar vorstellen, kurz dort zu leben, eher als in Berlin zum Beispiel. In Graz ist der Süden schon angedeutet. Die Größe ist auch angenehm, weil Graz so klein ist. Es ist auch eine gute Stadt zum Spazierengehen, was für mich sehr wichtig ist.

Entstehen beim Gehen die Songs?
Ja, ich brauche die Bewegung. Ich kann im Gehen besser denken. Ich gehe fast überall zu Fuß hin, auch lange Strecken.

Wie hat sich Wien in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert?
Ich bin 1987 geboren. Die Stadt ist bunter geworden, eindeutig, auch offener. Obwohl: Die offenste Stadt ist Wien noch immer nicht. Da geht schon noch was. Aber so mieselsüchtig, wie die Stadt angeblich früher war, habe ich sie nicht erlebt. Aber ich komme ja auch aus der Spargelfeldstraße – und das ist Hirschstetten, liegt also außerhalb von Wien. Als Kind war ich zum Beispiel nicht oft in der Stadt, vielleicht zwei Mal im Jahr, das war dann ein Ausflug. Dann bin ich mit den Eltern in den Prater, zum Beispiel.

Außerhalb? Das ist der 22. Bezirk, Wien-Donaustadt.
Ja, aber das hier ist Transdanubien – also eine eigene Welt. Hierher kommen sogar viele Wiener nie in ihrem Leben. Und viele, die von hier sind, gehen nie weg von hier und sind stolz darauf, Transdanubier zu sein.

Ich bin in Hirschstetten, also in Transdanubien, aufgewachsen. Das ist eine eigene Welt.

Nino aus Wien
Hier der Spargel dort die Stadt

keyboard_arrow_rightVon hier aus fährt man also „in die Stadt“ hinein.
Ja, so sagt man heute noch. Wobei: Das nächste Zentrum ist Kagran. Das ist auf jeden Fall ein anderes Wien. Ich komme von hierher, aus Hirschstetten, und das hat mich sicher geprägt. Transdanubier haben eine eigene Mentalität, eine eigene Sprache sogar. Wenn ich einen anderen Transdanubier treffe, erkenne ich ihn sofort an seiner Sprache – nach fünf Sekunden. Es ist keine Geheimsprache, das nicht, aber eine ganz eigene Melodie. Und vielleicht auch ein eigenes Verhalten. Die meisten berühmten Transdanubier sind übrigens Sportler. Alaba, Arnautovic, einen berühmten Rallyefahrer gibt’s auch, da fällt mir der Name grad nicht ein.

Und Musiker?
Da fällt mir nur einer ein: der Yung Hurn. Ansonsten: wenig Künstler aus Hirschstetten.

Wie sehr beeinflusst diese Stadt deine Musik?
Ich glaube schon, dass meine Herkunft in meine Musik einfließt. Und das wird immer mehr, je älter ich werde. Das „Wienerlied“ habe ich aber erst kennengelernt, als ich schon selbst Musik gemacht habe.

Es ist ja jetzt viel die Rede vom „neuen Wienerlied“. Ist das jetzt die offizielle Bezeichnung?
Schau, mir ist es egal, in welche Schublade ich gesteckt werde. Von mir aus kannst meine Lieder auch Austropop nennen, ich bin da nicht so streng. Wobei ich schon zugeben muss, dass mein Name auch trügerisch ist. Da erwartet man vielleicht, dass ich Wienerlieder singe.

keyboard_arrow_rightDu bist ein Spaziergänger, der Ernst Molden bezeichnet sich selbst als Stadtflaneur. Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen euch?
Der Ernst schreibt ja sogar Lieder im Freien, das geht bei mir überhaupt nicht. Ich brauche meine Indoor-Ruhe. Beim Spaziergehen entstehen die Lieder nur, ihre Struktur, die Texte auch. Und wenn mir ein guter Satz einfällt, schick ich mir selbst eine SMS. Hier, schau: „Eine Stimme wie Seide.“ Das ist so eine SMS vom Nino an den Nino. Ich mag dieses System.

Ich würd dich jetzt bitten, mit mir eine imaginäre Stadtführung durch dein Wien zu machen.
Jetzt sitzen wir gerade in den wunderbaren Blumengärten von Hirschstetten. Dann würd ich dir den Badeteich von Hirschstetten zeigen – ein unterschätztes Naturereignis. Von dort würden wir zur Alten Donau gehen, ich fahre nämlich total gerne mit dem Boot, vor allem mit dem Elektroboot, das taugt mir. Das ist übrigens auch ein guter Ort, um Ideen zu finden. Das Wasser ist mir sehr wichtig, und die Alte Donau ist eigentlich ein schöner See. Dann würd ich dir die Vorgartenstraße zeigen, dort habe ich lange gewohnt, im Stuwerviertel. Das ist so schön in sich geschlossen, da kennt schnell jeder jeden. Das dEZENTRAL war mein Stammlokal, jetzt hab ich grad keines – Stammlokal, mein ich. Das hat auch seine Vorteile.

Ich mag Wien. Ich liebe Wien sogar – auf meine Art.

Nino aus Wien
Hier der Spargel dort die Stadt

ZUR PERSONNino aus Wien, eigentlich Nino Mandl, geboren am 22. Mai 1987, ist Musiker und Songwriter aus Wien-Donaustadt. Er startete seine Karriere vor zehn Jahren und wird der neuen Wiener „Dialektszene“ zugerechnet.

Welche denn?
Einmal hierhin, dann wieder dorthin, sich lokalmäßig nicht so festlegen. Die Abwechslung, das praktizier ich jetzt schon seit Jahren so.

Bist du eigentlich ein neugieriger Mensch?
Schon, andererseits bin ich sehr genügsam. Ich brauche nicht viel zum Leben und habe auch kein Problem damit, einfach nur zu Hause zu bleiben. Aber wenn ich unterwegs bin, dann treff ich die anderen immer wieder, den Voodoo Jürgens zum Beispiel.

Der streunt vermutlich auch durch die Stadt und brütet neue Lieder aus.
Schon möglich. Der Ernst flaniert, ich spaziere, der Voodoo streunt, alles nur für die Musik. Andererseits: Wien ist ja nicht so groß.

Und ihr treibt euch alle gerne in den Hinterhöfen he­rum ... Die Fassaden von Nobelhotels sind meist nicht so interessant. Wien ist schon ein guter Boden für Lieder, das muss man ehrlich sagen. Die Beislszene, die Kaffeehäuser, wobei ich nicht nur die altehrwürdigen Häuser meine. Ich mag zum Beispiel alte Wirtshäuser sehr gerne; Wirtshäuser, die nach Cordon bleu riechen.

Nach altem Frittierfett also.
Ja, genau. Ich liebe diesen Geruch. Sushi-Bars riechen nicht.

Trifft man an diesen vergammelten Orten auch die interessanteren Menschen?
Nicht immer, aber die Chancen stehen gut. Ich mag zum Beispiel das Schwedenespresso im 1. Bezirk sehr gern. Das ist eine Oase, eigentlich untypisch für diesen Bezirk, eher ein Stadtrandlokal. Dort, im Schwedenespresso, trifft sich alles: Trankler, Studenten, Künstler, Polizisten, Obdachlose. Ich habe ein Lied über dieses Lokal geschrieben, und ursprünglich sollte auch das Video dazu dort gedreht werden. Aber ich wollte das nicht. keyboard_arrow_right

keyboard_arrow_right Warum nicht?
Das ist eine gefährliche Sache und funktioniert wie bei der Gentrifizierung. Wenn ein Lokal zu bekannt wird, wird es plötzlich hip und schick. Aber das Schwedenespresso soll so bleiben, wie es ist! Es ist immer schwer, von dort wegzukommen. Man trinkt noch einen Spritzer, sucht sich noch ein Lied in der Jukebox aus. Eine angenehme Spritzerwelle und ein paar Ambros-Lieder zum Mitsingen – das ist für mich der Idealzustand im Schwedenespresso.

Gehen wir weiter durch dein Wien.
In den Prater müssen wir unbedingt, ich bin ein großer Wurs­telprater-Fan! Als Kind bin ich mit den Eltern immer einmal im Jahr dorthin, diese Erinnerungen sind geblieben. Für mich war das eine weite Reise damals. Am schönsten ist der Wurstelprater im Winter, in der Nacht, wenn man ganz allein ist. Die Geräte sind alle tot, haben aber ein eigenes Leben.

Wohin gehen wir jetzt?
Du wirst es nicht glauben, in den Stephansdom. Wann immer ich vorbeigehe, gehe ich hinein. Das ist ein Kraftort, war es immer schon für mich. Vielleicht habe ich gerade deshalb eine besondere Beziehung zu dieser Kirche, weil ich überhaupt nicht religiös erzogen wurde und nicht einmal getauft bin. Ich habe mir diesen Ort also selbst ausgesucht, und er ist etwas Besonderes für mich. Oft bin ich nur eine Minute drinnen, aber das reicht.

Zündest du dann auch eine Kerze an?
Nein, aber das Weihwasser habe ich einmal probiert.

Probiert?
Nicht getrunken, den Finger eingetaucht halt.

Wo beenden wir deine Stadtführung?
Hier in Transdanubien natürlich, im Café Falk am Kagraner Platz. Früher war das ein berüchtigtes Messerstecherlokal, aber jetzt kann man ziemlich gefahrlos dorthin. Das Falk hat immer offen, man kann dort gut essen und es riecht ...

... nach Frittierfett?
Genau.

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