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Die Schönheit ist in der Schiachheit vergraben

Psychoanalyse: Sie rappen eine kritische Kulthymne auf Wien: Warum raunzen, sudern und owezahn das Leben ungemein bereichert – frag nach beim Rap-Duo Kreiml & Samurai. Text: Susanne Rakowitz, Fotos: Kurt Pinter

Die Schönheit ist in der Schiachheit vergraben

Ein Treffen im Sacher, beim Demel oder im Hawelka? Lächerlich, würden Kreiml & Samurai sagen und ziemlich sicher ein leichtes Spötteln nachziehen. So wie man es eben tut, wenn einem ein fremdes Universum schöne Augen macht. Dagegen sind die beiden immun. Absolut immun. Das zeigt schon der vereinbarte Treffpunkt: die Gastwirtschaft Rohrböck. Dass die ausgerechnet am Rilkeplatz ist, ist vermutlich ein Zufall, denn das liebevoll Verspielte, das dem alten Rilke bisweilen innewohnt, das ist ihre Sache nicht. Putzig? Das dürfen die anderen sein. Das zeigt schon das Bandlogo der beiden Herren: der Schweinehund, der, wie sie meinen, ohnehin das inoffizielle Wappentier Österreichs sei. Das beschreibt schon ziemlich eindeutig, was Kreiml und Samurai eben nicht sein wollen: Everybody’s Darling. Seit zehn Jahren sind sie im Geschäft und mit dem Song „Wiener“ (aus dem letzten Album „Wuff Oink“) hat man mit Gastrapper Monobrother auch außerhalb Wiens aufgezeigt. Das mag am Video liegen, das in Margareten gedreht wurde, aber vor allem am Text. Eine Art Quellcode des Wieners, schön filetiert wie ein Tafelspitz und gschmeidig durchdekliniert wie allerfeinstes Wienerisch – von der puren Wahrheit bis zum Klischee. Da wird ge­raunzt, politisiert und die Schleife vom Zuckerguss bis zum Hakenkreuz gezogen. Von witzig bis unbarmherzig, von übertrieben bis gnadenlos ehrlich singen sie in „Wiener“:

Des is a Wiener, wos, Sie glaubm goa, des is a Schmäh?
Keine Frage, die beiden sind nicht nur gebürtige Wiener, sondern auch glühende ­Wien-Fans, aber eines lassen sie nicht durchgehen: Eine Lobhudelei von vorne bis hinten. Ihr Motto, das auch der rote Faden im Lied ist: „Die Schönheit ist in der Schiachheit vergraben.“ Da kann die Stadt noch so oft zur schönsten und besten gewählt werden, für Kreiml & Samurai ist das ein Auftrag zur Gegenbewegung: „Der Grundtenor war, dass wir nicht ein Lied machen à la ,unsere Stadt ist die coolste der Welt‘“, so Kreiml.

Das Duo versteht sich als Anwälte der Gegenseite, das beinhaltet natürlich auch eine Liebeserklärung an das Goschert­sein: Der Wiener Schmäh, das ist mehr als der grantelnde Kellner im Reiseführer, es ist eine Art schützenswerte Geisteshaltung:
waun i so in der Gürtelgegend um viertel zehn spazieren geh denk i ma, der Wiener Schmäh ist gleichzeitig sehr schirch und schee.
Der Wiener Schmäh ist „eine Art sprachliche Umgangsform kombiniert mit Humor, der mit einer netten Art unter die Gürtellinie geht“, doziert Kreiml. Samurai legt gekonnt nach: „Er ist eine charmante Tiafheit.“ Und liefert auch noch eine Gebrauchsanweisung dazu: „Immer, wenn sich die Option ergibt, dann net lange herumfackeln und die Breitseite geben. In der Hinsicht macht der Wiener gern die Pappn auf und gibt seinen Senf zu allem dazu.“
Unsere positivste Seite ist die Negativität, drum is eh ollas fürn Oasch, trotz bester Lebensqualität. Wir raunzen übers Wetter, wuascht, obs schee is oder regnt keyboard_arrow_right

keyboard_arrow_rightBöse Zungen behaupten ja, dass das Raunzen das Mantra des Wieners ist. Das gibt es gar in unterschiedlichen Ausprägungen wie etwa Sudern oder noch eine Nuance höher mit persönlicher Befindlichkeitsäußerung, dem Granteln. Doch dass das nur negativ bewertet wird, kann doch wirklich nicht sein, zeigt sich auch Samurai empört: „Ich finde, raunzen ist extrem befreiend.“ Auch weil es die Antithese zur Happy-peppy-Gesellschaft ist: „Das ist sicher ein angenehmes Gegenkonzept von ‚Ich zeige mich von meiner besten Seite‘, ,Ich bin das blühende Leben voller Esprit und Energie‘, einfach: Alles zipft mich an, es ist gschissen“, so Samurai, der eine ordentliche Lachsalve hinterherpfeffert. Man braucht nicht glauben, dass die beiden Herren der Melancholie verfallen wären, ganz und gar nicht. Wenn man die abgedroschene Phrase „Hier rennt der Schmäh“ verwenden will, dann passt sie nirgendwo gerade besser als hier und jetzt. Und doch steckt bei all dem Witz und der Gaude eine ordentliche Portion Wahrheit drinnen: Sie kratzen gerne dort am Lack, wo andere die Oberfläche lieber spiegelglatt polieren. Alles muss perfekt sein. Wieder so eine Kampfansage, die das Duo gekonnt pariert – mit dem Verweis auf eine höchst sympathische urwienerische Sportart: dem „Owezahn“.

"Owezahn is das Yoga des Wieners, womit wir wieder bei den Klischees wären“, befindet Kreiml, der elegant an Samurai weiterspielt. Der nimmt den Ball gekonnt auf und holt zur philosophischen Grundsatzrede aus: „Alles muss super, gut und optimiert sein. Immer das Beste rausholen, nie die Zeit verschwenden, jede Sekunde nützen, das ist irgendwie auch für den Menschen unbefriedigend. Aber loslassen können und einfach einmal nichts machen, das ist auch eine Kunst, die ein bisschen in Vergessenheit geraten und negativ konnotiert ist. Dabei macht Owezahn das Leben lebenswert!“
Ob man jetzt unbedingt eine Couch zum Owezahn braucht, sei dahingestellt, aber eines zeigt sich: Steckt doch in jedem Wiener offenbar ein kleiner Freud. Apropos Wiener – wie ist er jetzt, der echte Wiener? „Das ist ein sich täglich wandelnder Typ. Wie sich die Stadt gerade entwickelt, ist sie immer auch ein Schmelztiegel für verschiedenste Kulturen. Von den echten Wienern sind viele auch aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus der Türkei, von überall her. Das sind jetzt die echten Wiener. Aber egal, woher man kommt, irgendwie nimmt man diese Wiener Mentalität schon auf: Dieses Granteln, dieses Zwieda-Sein. Das ist irgendwo für mich der Wiener“, skizziert Samurai, bevor der Herr Kellner zur letzten Runde bittet. Ach Wien, du wohl letztes Habitat für alle Grantler, Suderer und Raunzer – man muss einfach ein Lied auf dich singen!

Owezahn ist das Yoga des Wieners, womit wir wieder bei den ­Klischees wären.

Kreiml
Die Schönheit ist in der Schiachheit vergraben

Der Wiener Schmäh ist eine charmante Tiafheit, würde ich sagen.

Samurai

ZUR PERSON Kreiml & Samurai sind zwei Mundart-Rapper, die auch gebürtige Wiener sind: Kreiml ist im 3., Samurai im 10. Bezirk auf­gewachsen. Ihre aktuelle Platte nennt sich „Wuff Oink“ und ist beim Label Honigdachs erschienen. Das Duo war bei den Amadeus Music Awards für den FM4 Award nominiert. Im August sind sie am Frequency Festival zu sehen.


Wiener

Absolut sehenswert ist das Video zu „Wiener“: Gedreht wurde es an verschiedenen Schauplätzen in Margareten, darunter am Bacherplatz, am Siebenbrunnenplatz, in der Arbeitergasse und der Reinprechtsdorferstraße – wo sich auch der Pferdefleischer Rudolf Schuller befindet.

Wer Kreiml & Samurai live erleben will, hat beim Frequency Festival am 17. August Gelegenheit dazu. Alle weiteren Infos zum Duo unter: www.honigdachs.at

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