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Märkte mag man eben

GENIESSEN: Vom klassischen Naschmarkt bis zum unbekannten Schwendermarkt: wie sich Wiens Märkte neu positioniert haben. Und warum man öfter einmal ­sitzen bleiben sollte. Text: Sonja Krause, Julia Schafferhofer, Fotos: Kurt Pinter

Märkte mag man eben

Neulich, Samstags, um halb zehn, auf so gut wie jedem Markt in Wien: volles Open-Air-Haus. Es ist Kernzeit für die mehr als 700 Standler der Stadt. Es ist auch die beste Zeit für das „Landkind“ am kleinen Schwendermarkt im 15. Bezirk. Hier huldigt man den Tag mit dem Frühstück „Samstagsliebe“ für zwei, einem saisonal-regionalen Überraschungsei. Man könnte das Marktcafé und den Bioladen auch geheime Steirer-Enklave nennen. Denn die Geschwister Benni und Nina Strasser und deren Lebenspartner Stefan Rom sind „Zuagroaste“ aus Graz und haben sich 2016 ein handverlesenes Wohnzimmer in ihrem Grätzel aufgesperrt. Es gibt Bio-Salami vom Labonca-Schwein, Kernöleierspeis, Erzbräu, Aeijst-Gin. Die drei kennen jeden ihrer Lieferanten. Hier wird Regionalität auf urbanem Pflaster großgeschrieben.

2002 wurde der Markt an der äußeren Mariahilfer Straße umgebaut, er ist Nahversorger geblieben. Und dörflich. Trotzdem kann man bei „Viennas Vietnam“ super authentisch essen, bei „Unverschwendet“ Chutneys aus Obst und Gemüse erwerben, die vor dem Verderben gerettet wurden. „Es ist zwar Wien, aber die Leute beschweren sich, wenn sie nicht gegrüßt werden“, sagt Rom. Und zwar beim Vornamen. „Wir wollten ein Ort sein, der einen Bezug zu seinen Lebensmitteln hat, die es verkauft oder verkocht“, sagt Benni Strasser. Avocados sind im „Landkind“ tabu. Dafür gibt’s Mairübchen, Schwarz- und Grünkohl. Die drei sind ein Motor am Markt – im Sommer wird das „Strandkind“ ausgerufen, es gibt Marktfeste, Balkongartentage und viele Konzerte. Die „Landkinder“ sind eine neue, junge, ökobewusste und hippe Generation von Standbetreibern, wie man sie von Ottakring bis Meidling antrifft. keyboard_arrow_right

keyboard_arrow_rightIm Gegensatz zu Eli Kaikov. Nennt man ihn ein Urgestein des Naschmarkts, lacht er zwar, widerspricht aber nicht. Geht auch schwer, denn er ist seit 38 Jahren hier – als Händler, Gastronom und einer, der sich schon mehrmals neu erfunden hat. Seine Lebensgeschichte spiegelt jene des größten Wiener Marktes wider. Als Kaikov mit 20 Jahren aus Israel nach Wien kam, war der Ort „ein guter Markt für Obst und Gemüse“. Ein echter Nahversorger. Auch Kaikov hatte ein Obst- und Gemüsestandl, direkt gegenüber von seinem heutigen Lokal Tewa. Doch mit den Supermärkten wurde die Konkurrenz übermächtig und Kaikov sattelte um. Zunächst auf Spezialitäten, orientalische, italienische, spanische – als Erster, wie er sagt. „Ich war immer der Erste.“
Im Jahr 2000 kam der Bio-Trend auf und Kaikov, dessen Familie aus Usbekistan stammt, sprang auf. Er bezog seine Produkte direkt von Bauern, doch auch hier holten die Supermärkte auf. Daher serviert man seit 2005 im Tewa: Das Wort bedeutet im Hebräischen Natur, und das Lokal, das mittlerweile auch am Karmelitermarkt Wurzeln geschlagen hat, setzt auch heute auf Bio-Produkte – von der orientalischen Falafel über den fleischigen Burger.
Das Tewa befindet sich in guter Nachbarschaft: Haya Molchos Neni ist in Sehweite, das deli direkter Nachbar – und an einem sonnigen Tag gehen die Schanigärten der Gastrobetriebe beinahe ineinander auf. Am Naschmarkt sitzen, einen Spritzwein trinken, Hummus essen – das gehört zum Wien­besuch definitiv dazu. Aber ist der Naschmarkt überhaupt noch ein Markt?
Kommt man aus Richtung Oper, muss man weit gehen, um bei einem der Marktstandln anzukommen, die vor allem Oliven, getrocknete Früchte und Gewürze feilbieten. Zunächst kämpft man sich durch Reihen von Lokalen, die ihre Mahlzeiten mit Bildern bewerben. Daneben gibt es schicke Weinbars und feine Fisch­restaurants ebenso wie die gemütlichen orientalischen Einkehroasen.

Egal, ob ­orientalische Spezialitäten oder Bio-Trend: Ich war immer der Erste.

Eli Kaikov
Märkte mag man eben

„Nein, der Naschmarkt ist kein Markt mehr. Es gibt nur noch wenige Stände, die Obst, Gemüse oder Fleisch verkaufen“, sagt Kaikov. Laut ihm wurde aber auch nicht viel dafür getan, den Marktcharakter zu erhalten: „Rundherum gibt es riesige Supermärkte, man müsste den Markt davor beschützen.“
„Lokale waren 1992 die einzige Möglichkeit, Märkte zu retten“, behauptet Alexander Hengl vom Marktamt. In den 1970ern hätten diese ihre Blütezeit gehabt, vor 800 Jahren gab es sogar noch 40 Märkte in der Stadt. Die Namen zeugen – wie beim Hohen Markt – von der Zeit des Handels. Die neue Marktordnung, die letzten Herbst in Kraft trat und von vielen auch kritisiert wird, führte neue verpflichtende Kernöffnungszeiten ein und regelt, dass der Anteil der Gastrobetriebe maximal 40 Prozent betragen darf. Der Naschmarkt ist heute vor allem Gastromeile – anders der Karmelitermarkt im zweiten Bezirk. Hier kaufen die Wiener noch ein, vor allem an Samstagen, wenn die fest verbauten Stände um einen Bauernmarkt erweitert werden. Die Märkte haben sich neu positioniert: Sie sind Orte der Begegnung und betören mit dem Erlebnis. Wer hier kauft, kauft nicht anonym, der Standler wird zum Bekannten und Kinder lernen, wie eine Pastinake oder ein Knollensellerie ausschaut. keyboard_arrow_right

keyboard_arrow_right„Auf einem Markt spürt man das Lokalkolorit einer Stadt“, sagt Thomas de Martin, der mit der Markterei im Jahr 2014 ein nach Eigendefinition ­„größenwahnsinniges Projekt“ startete: Der Inhaber einer Kreativagentur wollte eine regionale Markthalle hochziehen. Warum? „Der Naschmarkt ist ein wunderbarer Ort, aber die Produkte von regionalen Kleinstproduzenten findest du dort nicht.“ Die Markterei startete als „herumtingelnder“ Wochenendmarkt, bis eine Bleibe in der Alten Post gefunden wurde – doch die Zwischennutzung ist ausgelaufen, das Projekt (bis zu 5000 Kunden pro Tag, bis zu 50 Produzenten an den Marktständen) fand keine neue Bleibe und existiert heute nur noch als „Pop-up-Projekt“ bei Events.
Ist ein Markt, der vor allem Handelsplatz für Lebensmittel ist, bei der Supermarktdichte noch zeitgemäß? „Ich glaube schon, immer mehr Menschen wollen wissen, wo die Produkte herkommen, wollen mit den Produzenten reden“, sagt de Martin. Ganz ehrlich: 630.000 Besucher pro Woche irren sich nicht.

Märkte mag man eben

Stimmungsvoll: Naschmarkt und Thomas de Martin mit seiner Marktere



Was die Wiener Märkte im Detail bieten

MARKTREICH: 17 fixe und 5 temporäre Märkte mit 738 Ständen ziehen rund 360.000 Besucher pro Woche an. Ein Überblick.

Brunnenmarkt und Yppenplatz.
160 Stände machen den Brunnenmarkt in Wien-Ottakring zu einem der größten Märkte Europas. Er ist der „Klein-Orient“ ums Eck. Der Yppenplatz ist das Epizentrum des Hipstertums. Einkehrtipps: die entspannte „Wirr“-Terrasse, bei „Mani“ landet man im Hummus-Himmel und klasse Italo-Küche gibt’s bei „Wetter“. Die besten Drinks serviert das Café Frida mit Wandtattoo von Frida Kahlo.

Volkertmarkt.
So in etwa fühlte es sich wohl am Karmelitermarkt vor 20 Jahren an. Kleiner, feiner Grätzeltipp in der Leopoldstadt. Tipps: Israelisch bis usbekische Fusionsküche kredenzt Yudale, und das Café Nelke wartet mit Ganztagsfrühstück und einem Sonnenblumen-Schanigarten auf.

Karmelitermarkt.
Wer samstags hierherkommt, begegnet dem politisch bis kulturellen „Who is who“ der Stadt. Der Bauernmarkt bietet Bisonfleisch und Slow-Food-Eck. Zum Einkehren empfiehlt sich u. a. das hübsche „Cafemima“ oder das zweite Wohnzimmer „Zimmer37“.

Meidlinger Markt.
Jung, urban und ein bisschen abgewrackt. Im 12. Bezirk geht es bodenständig zu, die Bobos vermehren sich aber. „Anna“ verwöhnt mit französischem Ziegenkäse und Weinviertler Blaumohnstriezerl und bei „Hüftgold“ geht es extrem süß her.

Lange Gasse.
Jeden Samstag wird die Gasse im Achten für den Verkehr gesperrt und die Bobos treffen sich auf der neu ausgebauten Straße zu Kaffee, selbst gebackenem Kuchen oder Raclette-Brot von den Schweizer Käsemachern Jumi, dessen Geruch schon von Weitem die Nase kitzelt.

Meiselmarkt.
Ein Erlebnis. Direkt in der U 3-Station Johnstraße befindet sich Wiens einziger Indoor-Markt. Ein lebendiger Ort mit vernünftigem Angebot und günstigen Preisen.

Kutschkermarkt.
Der Platz für Feinspitze mit gut gefüllter Geldbörse: Hier im 18. Bezirk warten Käse, weltmeisterliches Kebap, Blumen und Bobo-Lokale wie das süße Café Himmelblau oder die coole Cafebrennerei Franze.



TOP 7

Rooftops in Wien

GANZ OBEN. Der einzige Nachteil an Rooftop-Bars: Jeder will dort einen Platz ergattern. Sonst verbindet Dachbars nur Wunderbares: ungetrübte Ausblicke und feine Drinks.

Rooftop Garden im Ruby Marie.
Das Hotel Ruby Marie bietet beste Lage direkt an der Mariahilfer Straße, der Rooftop Garden beste Ausblicke von bunten Sonnenliegen oder gemütlichen Sitzsäcken aus.

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Lamée.
Beste ­Innenstadtlage – das gilt nicht nur für das Designhotel Lamée, sondern auch für dessen Rooftop-Bar, wo man, gemütlich auf bunte Vintage-­Pölster gefläzt, den Stephansdom im Blick hat.

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Das Loft im Sofitel.
Rooftop für Schlechtwettertage: In der obersten Etage im ­Sofitel im 2. Bezirk sitzt man zwar nicht im Freien, genießt dank der Panoramafenster dennoch einen fantastischen Blick über das Wiener ­Zentrum.

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Dachboden.
Dachboden-Ausbauten ­boomen in Wien, ebenso wie die schicke Dachbar des Trend­hotels 25hours im siebten Bezirk. Von hier oben ­liegen einem nicht nur das Kunst- und das Natur­historische ­Museum zu Füßen.

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Atmosphere im Ritz Carton.
Wer es gerne schick mag: Die Rooftop-Bar des Ritz Carlton kredenzt ­einen Signature-­Cocktail, wirbt mit ­einer der umfangreichsten Gin-Selek­tionen und hat einen Dresscode: sommerlich-elegant.

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Skybar im Kaufhaus Steffl.
Shopping macht müde? Wen diese Er­kenntnis in der Kärntner Straße ereilt, der kann sich in die oberste Etage des Kaufhauses Steffl flüchten und die Augen über die Sehenswürdigkeiten der Innenstadt wandern lassen.

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57 Lounge.
Schwindelfreiheit ist für die höchste Cocktail-Bar Österreichs empfohlen: In 220 Metern Höhe genießt man Kreationen wie DC Sour oder den Donaustädter im Dachgeschoss des DC Towers.

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