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Vom Wörthersee an die Copa Cagrana

Ortsaugenschein. Wer mit der Wiener SPÖ-Umweltstadträtin Ulrike „Ulli“ Sima durch die Stadt geht, muss sich an ein hohes Tempo gewöhnen. Müßiggang ist nicht ihre Sache. Text: Bernd Melichar, Fotos: Kurt Pinter

Vom Wörthersee an die Copa Cagrana

E ine Ruhe mitten im Sturm. Die „Lokanta Oase“ in der Friedmanngasse wird ihrem Namen voll gerecht. Obwohl inmitten des farbenprächtigen und lautstarken Gewusels des Brunnenmarktes gelegen, strahlt das türkische Lokal eine geradezu stoische Ruhe aus. „Achtung beim Frühstück“, warnt Ulli Sima. „Das ist angeblich für zwei Personen, aber in Wahrheit werden fünf satt.“ Hierher kommt Sima immer am Samstagvormittag, ein zentraler Angelpunkt in ihrem Bezirk: Ottakring – auch eine wichtige Kommunikationsdrehscheibe abseits des Tagesgeschäfts. Man kennt sich untereinander – und man kennt die Politikerin. „Hallo, Frau Stadtrat!“, ruft ein junger Mann schon von Weitem. Gerade, dass er Sima nicht auf die Schulter klopft, aber das traut er sich dann doch nicht.

Die „Oase“ ist ein geografischer Ruhepol, sofern so etwas im prallgefüllten Leben der Ulrike „Ulli“ Sima überhaupt Platz hat. Die Eckdaten: Geboren 1968 in Klagenfurt, wo der Name Sima noch heute nachhallt. Großvater Hans Sima war bei der Errichtung der Zweiten Republik 1945 Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei Kärntens und von 1965 bis 1974 Landeshauptmann. Die Enkelin studiert in Wien, kandidiert bei den ÖH-Wahlen, arbeitet ab 1994 bei Global 2000 als Regenwald-Referentin und später als Gentechnik-Expertin, 1999 dann der Einstieg in die große Politik: Viktor Klima holt sie als Quereinsteigerin, bis 2004 ist Sima Nationalratsabgeordnete. „Aber plötzlich war der Klima weg und die SPÖ in der Opposition“, sagt die 50-Jährige – und greift zum wahrlich üppigen „Oase“-Frühstück. „Aber Oppositionsarbeit leisten konnte ich gut von meiner Zeit bei Global 2000, also habe ich dem Umweltminister das Leben schwer gemacht.“ Seit 1. Juli 2004 ist die Mutter zweier Kinder als SPÖ-Umweltstadträtin Mitglied der Wiener Landesregierung und des Stadtsenates von Wien. „Wenn ich jetzt aufzähle, wofür ich alles zuständig bin, sitzen wir noch lange beim Frühstück“, schmunzelt Sima. Deshalb nur ein kurzer Auszug der Zuständigkeiten: Wasser, Kanal, Müllabfuhr und Deponie, Parkanlagen und Kinderspielplätze, Forste, Weingüter, Tierschutz, Märkte und, und, und. keyboard_arrow_right

keyboard_arrow_right Wer mit Ulli Sima durch ihr Wien geht, braucht eine gute Kondition und – wie die Politikerin selbst – einen langen Atem. Denn Müßiggang ist ihre Sache nicht. Die Tour beginnt natürlich in ihrem politischen Bezirk, in Ottakring – früher tiefblau eingefärbt, heute rot-grün. „Der Brunnenmarkt ist der längste Straßenmarkt Europas“, erzählt Sima und marschiert flotten Schrittes durch die Straßen, die multikulturellen Weltstadtflair ausstrahlen. „I’m an artist – your rules don’t apply“ steht auf einer Wandmalerei, die auch gut nach London passen würde. Für Künstler mögen Regeln nicht gelten, für andere schon. „Rücksichtnahme ist das Allerwichtigste beim Zusammenleben in einer Stadt“, betont die Politikerin, die mitunter auch als „Verbotsstadträtin“ tituliert wird: Essverbot in der U-Bahn, Alkoholverbot am Praterstern, strenge Richtlinien für Hundebesitzer. Sima steht hinter diesen Maßnahmen, denn: „Viele Politiker scheuen vor unangenehmen Themen zurück“, sagt sie. „Aber wenn das Zusammenleben nicht funktioniert, muss ich als Politikerin eingreifen, mich einmischen, das ist meine Pflicht.“ Sagt’s – und bleibt kurz vor einem Blumenbeet stehen. „Hier gehört etwas eingepflanzt, das schaut nicht schön aus“, flüstert sie einer Mitarbeiterin zu. Eingreifen auch bei scheinbaren Kleinigkeiten.
Es war ein grauer Sonntagnachmittag, an dem Ulli Sima im Alter von 18 Jahren von Klagenfurt nach Wien kam. „,Oh Gott, jetzt bin ich in der großen Stadt‘, dachte ich mir damals. Hoffentlich habe ich mich nicht übernommen.“ Ja, Sima hat übernommen, aber nicht sich selbst, sondern das Lebensgefühl dieser Stadt, die sie in den nächsten Jahrzehnten mitgestalten sollte. Die Frage, ob Wien eine schöne Stadt sei, weist sie sofort empört zurück. „Nein, nicht nur schön, Wien ist eine perfekte Stadt! Die In­frastruktur stimmt, der öffentliche Verkehr funktioniert, wir haben 800 Parks. Dass wir seit zehn Jahren die Liste der lebenswerten Städte anführen, hat seinen guten Grund.“

ZUR PERSON Ulrike „Ulli“ Sima, geboren am 3. August 1968 in Klagenfurt, ist seit 2004 Wiener Umweltstadträtin und Mitglied der Wiener Landesregierung und des Stadtsenates von Wien.

Vom Wörthersee an die Copa Cagrana

Frau Stadträtin, Sie müssen unbedingt unsere Trauzeugin werden.

U-Bahn-Musikerin

In den Untergrund führt jetzt der Weg. Die „U-Bahn-Stars“, auch eine Initiative der Stadträtin. Um den Wildwuchs der Straßenmusiker einzudämmen, gibt es jetzt bestimmte Plätze, an denen musiziert werden darf. Eine Idee, die Früchte unterschiedlichster Art trägt. „Frau Sima!“, ruft eine Sängerin und läuft aufgeregt auf die Stadträtin zu. Die junge Frau spielt hier zusammen mit ihrem Freund auf – und offenbar harmonieren nicht nur die Melodien. „Wir heiraten bald“, jubelt die Musikerin, die beim ersten Casting der U-Bahn-Stars dabei war. „Und Sie, Frau Sima, müssen unsere Trauzeugin sein.“ Die Stadträtin lächelt überrascht und weiß: Das ist eine schöne Geschichte, die das Stadtleben schrieb.
Ulli Sima ist eine Frau, die weiß, was sie will, und die auch die politische Kraft hat, diesen Willen durchzusetzen. „Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit würde ich zu meinen stärksten Charaktereigenschaften zählen.“ Und beides war notwendig, um ein weiteres ihrer Herzensanliegen durchzusetzen: die Neugestaltung der Copa Cagrana. „Früher hat’s dort ausgeschaut wie in den Favelas, jetzt ist der erste Bauabschnitt fertig.“ Sichtlich zufrieden geht sie an den Kulinarikständen und Spielplätzen vorbei, die Badesaison ist auch schon eröffnet. Um das Projekt umzusetzen, musste die Stadt jahrelang mit dem Vorpächter prozessieren, Zwangsräumung inklusive. Aber Sima hat sich durchgesetzt. Siehe: langer Atem.
An der Alten Donau endet die Stadtführung der Stadträtin. „Hier geht mir das Herz auf“, lächelt sie. „Überall, wo Wasser ist, fühle ich mich wohl – da kommt der Wörthersee in mir durch.“ Und Wien, was ist Wien für sie? „Ganz einfach: Wien ist mein Zuhause“, sagt Sima. „Ich bin eine Wienerin mit Kärntner Wurzeln.“
„Frau Stadträtin, bitte etwas langsamer gehen“, ruft der Fotograf jetzt schon leicht verzweifelt. „Langsam geht nicht“, antwortet Ulli Sima. Und geht schnell weiter. Stadt­einwärts.

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