Ein halbes Jahrhundert Mazda Österreich: Autor Helmut A. Gansterer begleitete die Liaison zwischen Klagenfurt und Hiroshima von Anfang an. Ein Liebesessay über exotische Japaner, kugelrunde Talente und die Lust am Anderssein.
Du meine Güte: ein halbes Jahrhundert! Da passiert viel. Da muss zunächst eine Vogelschau her. Nur sie kann im Überblick die großen Linien zeigen, auf die dann wie Edelsteine auf eine Seidenschnur die wichtigsten Ereignisse aus fünfzig Jahren in richtiger Reihenfolge gefädelt werden.
Auf diese Weise mag ein juweliertechnisch korrektes Collier entstehen. Dieses soll aber mehr können. Es wurde für die Goldene Hochzeit von Mazda Japan und Mazda Österreich in Auftrag gegeben, eine Verbindung, die sich früh als harmonische Verzahnung erwies. Weshalb im Collier zwischen den River-White-Diamanten, die für kaufmännischen Ernst und wirtschaftlichen Erfolg stehen, auch bunte Halbedelsteine funkeln. Diese spiegeln eine auch heitere, nunmehr 50 Jahre währende Liaison.
„Nur Feste verdienen unsere höchsten Kräfte“
Eine gewisse zeitliche Komik lag schon über dem Anfang. Dieser fiel ausgerechnet auf das Jahr 1969. Damals griff Europas Jugendrevolte die freie Liebe auf.
Ein Leitsatz lautete: „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment.“
Das passte gar nicht zu japanischem Geschäftsverständnis. Auch bei Mazda erwartete man eine seriöse gemeinsame Aufbauarbeit in zuverlässiger Partnertreue. Mit gutem Instinkt fand man im Klagenfurter Rolf Knoch den idealen ersten Importeur für Österreich. Er ging die Sache grundsolide und bescheiden an. Er arbeitete mit kleinen Einzelhändlern, auch Ein-Mann-Betrieben, verkaufte 181 Stück im ersten Jahr, zwei Jahre später schon respektable 5000, mit aufsteigender Tendenz.
Dennoch lag ein Schatten von Spott über den Anfängen. Kaum einer kannte den exotischen Japaner Mazda. Und der Standort Klagenfurt galt als irrwitzig entlegen. Große Marken wurden via Salzburg und Wien importiert. Man sah die Kärntner auch eher den lebensfrohen Dingen zugewandt, dem „laissez faire“, der leichten Musik, dem talentierten Management touristischer Sommerfreuden. Namhafte Industrie-Investoren und die immer erfolgreichere, auch publicity-wirksame Mazda-Zentrale am Wörthersee haben dem Wirtschafts-Image ihres Bundeslandes ein höheres Gewicht geschenkt. Allerdings war die Startzeit des Importeurs suboptimal. Der Erdölschock 1974 traf ein noch junges Pflänzchen. Die Girozentrale (heute: Erste Bank) sprang als neuer Eigentümer ein. Der Importeur und mittlerweile 110 Händler gingen gestärkt aus der Krise. Und Mazda Japan hielt am fernen Partner fest. Man schätzte die Pioniertaten der ersten fünf Jahre. Diese Wertschätzung wurde bis heute progressiv gesteigert.
Als der japanische Konzern im neuen Jahrhundert die Mazda Austria zur 100-Prozent-Tochter erhob, hielt man nicht nur am einst exotisch wirkenden Standort fest, man weitete dessen Befugnisse dramatisch aus. Auch auf die kugelrunden Talente der Kärntner mochte der Mazda-Konzern in Hiroshima nicht verzichten, im Gegenteil: Nach Slowenien, Kroatien und Ungarn verantwortet man seit dem Millennium auch die Märkte Bosnien-Herzegowina, Serbien, Mazedonien, Bulgarien und Rumänien. Albanien und Moldawien versorgt man mit Autos und Ersatzteilen.
Die Mazda-Philosophie, von Präsidenten-Legende Kenichi Yamamoto vorgelebt, verbietet Unbescheidenheit. Ein resches Selbstbewusstsein der Klagenfurter ist aber erlaubt. Dafür reichen schon die Österreich-Zahlen. Das klingt dann so: „Seit dem Start 1969 wurden 680.000 Autos verkauft. 250.000 fahren heute noch, ein Qualitätsbeweis. Damit ist Mazda die längstgediente und populärste japanische Automarke in Österreich.“
Um dies als Kleiner im Konzert von Konkurrenz-Riesen zu erreichen, musste der Importeur in möglichst jedem Detail staubfrei sein. Zudem blieben unüblich viele Werbekampagnen im kollektiven Bewusstsein der Österreicher haften. Beispielsweise „Platz da für Mazda“, „Ein Mazda müsste man sein“ und „Zoom-Zoom“. keyboard_arrow_right
keyboard_arrow_rightAls Autor dieser Jubiläumslaudatio sollte ich bekennen, dass etliche Zufälle eine Mazda-Affinität begünstigten. Ich nenne diese Zufälle, weil sie meist auch Mazdas Bemühen illustrieren, „anders als andere“ zu sein.
Dort, wo Hiroshima am schönsten ist, auf der Insel Miyajima mit ihrem Itsukushima-Schrein und der weltweit bekannten Bild-Ikone des mächtigen roten Torii Gate wirkt das Meer wie ein Binnensee. Und der Wörthersee ist sowieso einer. Jeder österreichische Mazda reist also gewissermaßen von See zu See. Auch der aktuelle Dreier, ein extraschneidiger Kompakt-Wurf. Er allein sichert schon Mazdas halbe Zukunft. So wie der demnächst lieferbare Skyativ-X-Motor, ein Benzin-Selbstzünder, der die Laufkultur eines Benziners und die Sparsamkeit eines Diesels verbinden soll.
All dies ging mir einst, um viele Jahre vorauseilend, in der Nachtbar des Holiday Inn in Hiroshima durch den Kopf, die ich mit schlafgestörten Japanern teilte. Schon nach dem sechsten Krug des Leichtgetränks Sake erfasste mich transzendentale Klarheit. Eine metaphysische Vision zeigte mir Mazda als Regenbogen, der sich hinter dem roten Torii Gate aus dem Salzwasser erhob, in einer hohen Parabel Meere und Kontinente überspannte und schließlich ins süße Wasser des Wörthersees tauchte. An beiden Enden des Regenbogens sah ich einen Topf voll Gold.