Wenn Cameron Carpenter seine Orgel bearbeitet, meint man mitunter, das Jüngste Gericht wäre nah: So auch in der Grazer Helmut-List-Halle, wo das Publikum bei "All you need is Bach" in Popkonzert-artige Begeisterungsschreie ausbrach. Hinter dem exzentrischen Auftritt wird beim Spiel aber stets ein einfühlsamer, technisch brillanter Musiker - und Besessener von seiner Kunst - sichtbar.

Der 38-jährige Amerikaner, dessen Garderobe mittlerweile nicht mehr ganz so exzentrisch-glitzernd ist wie noch vor einigen Jahren, ist mit seiner International Touring Organ, die er sich anfertigen ließ, unterwegs. Das Instrument sieht schrill aus, verfügt allerdings über ein hervorragendes Soundsystem. Wenn Carpenter wild und ungestüm auf seiner Orgel beinahe herumturnt, hat das nichts mit Cross-over und Schielen nach kommerziellen Erfolgen zu tun.

Ungewöhnliche Effekte

Der Ausnahmemusiker vermittelt den Eindruck, als würden die Klänge aus ihm hervorbrechen, als könnte diese Musik gar nicht anders gespielt werden. Dass er dabei auf ungewöhnliche Effekte setzt, ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack, den Werken schadet es keinesfalls. Mit Donnergewalt brachen zunächst Präludium und Fuge in D-Dur, BWV 532, über das Publikum im übervollen Saal herein, und endete mit einem Pedal-Solo, wobei Carpenter in gewohnter Manier seine Füße tanzen ließ.

In der Triosonate Nr. 3, BWV 527 formte er ein anderes Bild: Fein ziselierte Töne gaben dem Adagio eine Leichtigkeit, die nicht gerade typisch für die Orgel ist. Nach der Pause konnte Cameron Carpenter bei der Französischen Suite Nr. 5, BWV 816 seine Fertigkeit in den darin verwendeten Tanzformen zeigen, die durch sein Spiel eine bunte Leuchtkraft entwickelten.

Den Abschluss des offiziellen Teils bildete eine Eigenkomposition, "Serenade and Fugue on B-A-C-H", eine Hommage an den großen Komponisten und gleichzeitig Beweis der Eigenständigkeit. Carpenter geizte nicht mit den Zugaben und spielte gleich drei Stücke zusätzlich, wobei er durch völlig andere Stilrichtungen seine Virtuosität nochmals von anderer Seite zeigen konnte. Die zweite Symphonie von Howard Hanson klang romantisch und gleichzeitig modern, während er "Stars and Stripes" mit viel Witz und noch mehr Ironie präsentierte.