Mit Herz und Hirn erdacht. Mit Hand und Fuß gemacht. Solche Musikprojekte garantiert Jordi Savall immer. Der Meistergambist ist mit bald 77 Jahren weiterhin unermüdlich im Einsatz für das Außergewöhnliche, dokumentiert auch auf neuen Editionen seines 1998 gegründeten Labels Alia Vox: Auf „Musica Nova“ begibt er sich mit seinem Ensemble Hespèrion XXI auf Entdeckungsreise in die Welt des Gamben-Consorts zwischen 1500 und 1700. Auf der CD „Bailar Cantando“, die Ende August erscheint, feiert er eine peruanische Fiesta Mestiza. Und „Venezia Millenaria 700 - 1797“ ist das klingende Kaleidoskop einer Stadt, in der sich christliche, byzantinische und osmanische Kultur aufs Schönste verwoben. Der Katalane führt das in einer weiteren Prachtausgabe vor Ohren und Augen und hat in diese „Synthese aus Musik, Geschichte, Bildern und Texten“ wieder drei Jahre Forschungszeit gesteckt, sagte er jüngst im Ö1-Interview.

2016 hatte Savall im berüchtigten „Dschungel“ in Calais spontan mit Flüchtlingen musiziert. Inzwischen gab er mit Kollegen Workshops für die Talentiertesten unter ihnen, spielte mit 21 Jungmusikern aus Syrien, Bangladesch oder Afghanistan schon zwölf Konzerte und ermöglicht den Migranten mit der Initiative „Orpheus XXI - „Music for life and for dignity“, in ihren Exilländern eine berufliche Existenz als Musikpädagogen aufzubauen.

Jordi Savall, nach dem Tod seiner Frau Montserrat Figueras 2011 übrigens wieder verheiratet, ist natürlich weiterhin ständig auf Querweltein und nun vier Mal auch in Österreich zu hören. Mit der Capella Reial de Catalunya und Le Concert des Nations bringt er morgen Claudio Monteverdis 8. Madrigalbuch zur styriarte (20 Uhr, List-Halle) und beschließt das Festival mit dem tönenden Geschichtspanorama „Krieg und Frieden“ (22. 7., 19 Uhr, List-Halle). Bei den Salzburger Festspielen zelebriert er Gesänge für die Karwoche des Renaissancekomponisten Tomás Luis de Victoria (24. 7., 21 Uhr, Kollegienkirche). Und das Gitarrenfestival in Millstatt beehrt er im Trio mit spanischen Folias und Romanescas (5. 8., 20 Uhr, Stiftskirche).

Jordi Savall, Meistergambist und Dirigent aus Katalonien
Jordi Savall, Meistergambist und Dirigent aus Katalonien © Werner Kmetitsch

Konzertkritik 1

Magische Klänge vom Herzberührer

Claudio Monteverdis höchste Madrigalkunst in den Meisterhänden von Jordi Savall.

Keiner zaubert den Begriff „concertare“ (italienisch: planen, zusammenklingen) schöner auf die Bühnen als Jordi Savall. Für sein erstes von zwei Konzerten bei der styriarte hatte sich der Gambist und Dirigent selbst einen Magier erwählt: Claudio Monteverdi, der an der Schnittstelle von Renaissance und Barock mit seinen blühenden Melodien, den verblüffenden Rückungen und Taktwechseln, dem erzählerischen Ton und dem erregten Stil seiner Kompositionen zum König der Klangkunst wurde.

All das kulminiert am prächtigsten in Monteverdis achtem Madrigalbuch. Aus dem Widmungswerk für den Habsburgerkaiser Ferdinand III. brachte Savall eine so sinnige wie sinnliche Auswahl in die List-Halle mit, in der sein Concert des Nations und seine siebenköpfige Capella Reial de Catalunya (übrigens mit zwei Solisten aus der Fux-Oper „Julo Ascanio“) brillieren konnten.

Selbst die elegantest servierten Sinfonien, Liebes- und Kriegsmadrigale oder ein Ciaconna vom Zeitgenossen Antonio Falconeri waren aber nur das Vorspiel für das Kernstück des Ottavo Libro und des Abends. In „Combattimento di Tancredi e Clorinda“ erkennt der Kreuzritter ja zu spät in seinem erbittert bekämpften Feind, unter Blut und Harnisch, seine sarazenische Geliebte. Wie ergreifend Bariton Furio Zanasi diese Episode aus Torquato Tassos „Gerusalemme liberata“ als Erzähler schilderte, wie die norwegische Mezzosopranistin Marianne Beate Kielland als Clorinda ihrem Tancredi (der wendige Tenor Lluis Vilamajó) mit einem Lichtstrahlton am Ende vergab. Wie dramatisch Savall diese Skizze für eine erste Oper gestaltete: All das lässt verstehen, dass Herzberührer Monteverdi selbst schrieb: „Das Publikum war so bewegt vom Affekt des Mitleids, dass es den Tränen nahe war.“