Was war für Sie die einschneidendste Erfahrung in der Krise?
FRIEDRICH KLEINHAPL
: Das letzte Jahr war ein existentielles Desaster für die Musik und die Kunst. Als ob uns ein Orkan in einen vollkommen falschen, dunklen Teil der Erde verschlagen hätte. Doch das Eindrucksvolle für mich war, dass es gleichzeitig so ist, als ob wir uns in diesem Jahr freigespielt hätten - mein Cello und ich.

Das klingt danach, als könnten Sie etwas Positives aus der Krise mitnehmen.
Ich habe die Zeit genützt, um meine Cellotechnik weiterzuentwickeln. Dadurch hat sich mein Cellospiel gravierend verbessert. Diese Umstellung hat das ganze Jahr in Anspruch genommen. Während des normalen Konzertbetriebs hätte ich keine Chance gehabt, dieselbe Entwicklung zu machen. Zudem hatte ich das Glück, auf der Montan-Uni in Professor Helmut Antrekowitsch, auf der TU Graz in Dekan Franz Haas und bei der Firma Larson Strings in Thomas Zwieg drei großartige Menschen zu finden, die mich bei der Weiterentwicklung meines Cello-Setups unglaublich unterstützt haben. Jetzt warte ich sehnlichst auf den Moment, all diese klanglichen Veränderungen im Konzert erleben zu können.

Wie lange sind Sie nicht aufgetreten?
Mein letztes Konzert hat im September im Grazer Musikverein stattgefunden.

Wie haben Sie sich während des Lockdowns musikalisch fitgehalten?
Indem ich in diesem Jahr viel neues Repertoire einstudiert habe.

Haben Sie selbst von irgendwelchen offiziellen Hilfen etwas bekommen?
Wir haben nicht Nichts bekommen, aber man hat doch begonnen nachzudenken, wie wichtig die Kultur im „Musikland Österreich“ tatsächlich ist. In vielen anderen Ländern wurden den freischaffenden Musikern bis zu 100% der ausgefallenen Gagen ersetzt. Wir hatten durch die Kulturpartnerschaft mit der HYPO Steiermark einige Unterstützung.

Viel Musik wurde ins Internet verlegt, was halten Sie davon?
Ich bin diesbezüglich skeptisch. Die Kultur der Gratisinhalte hatte in diesem Jahr unendlich viel Gelegenheit, sich auch auf das gesamte Konzertgeschehen auszubreiten und sich bei den „Konsumenten“ als Gewohnheit zu etablieren. Eine Herabstufung von Konzerten zu einem Konsumerlebnis, in das man sich x-beliebig rein- und rauszappen kann, ist aus meiner Sicht dazu geeignet jetzt auch klassische Musik zu einer wertlosen Randerscheinung zu machen. Ich fürchte, dass die Musik damit denselben Kampf um Wertigkeit führen wird müssen, den Tageszeitungen vor vielen Jahren durch ihre Gratis-Internet-Inhalte losgetreten haben - ein Kampf um Aufwertung von Inhalten, der kaum zu gewinnen ist, wie die Erfahrung zeigt.

Das heißt, Sie sind überzeugt, dass sich die Krise langfristig auf den Kulturbetrieb niederschlagen wird?
Kurzfristig sehe ich zwei gegensätzliche Tendenzen:Eeinerseits gibt es seit einem Jahr keine neuen Konzertverträge, viele Veranstalter bangen um ihre Budgets, Konzertsäle wurden zum Beispiel zu Impfzentren umfunktioniert. Andererseits ist der allgemeine Hunger nach Kultur und Konzerten spürbar. Längerfristig habe ich die große Hoffnung, dass diese Krise die Sinne ein wenig geweckt hat und Bedürfnisse nach inhaltsvolleren Veranstaltungen erwacht ist anstelle von reinen Society-Shows und Entertainment-Events.