Nicht sichtbar auf den ersten Blick, verborgen zwischen Bäumen leben sie, die Protagonisten des neuen Stücks des Theaters im Bahnhof. Für "Donna Haraway darf Graz doch noch nicht verlassen" begab sich das TIB auf die Theoriepfade der einflussreichen Vertreterin der Postmoderne. Das Publikum versammelt sich dafür am Grazer Buchkogel bei der Entlüftungsanlage des Plabutschtunnels in einer kontrastreichen Szenerie aus Waldidylle und mächtigem Betonbunker.

Der Pilz ist die heilige Kuh, um die sich hier alles und nichts dreht. Haraways Cyborgs werden unter freiem Himmel zu Mensch-Myzel-Symbiosen (Jacob Banigan), aus deren Rücken die Schwammerln hervorschießen. Daneben plant ein Klimaaktivist (Johnny Mhanna) den nächsten Anschlag, gibt Lorenz Kabas den Albträumdeuter und kurvt Monika Klengel auf ihrem Moped als fliegende Händlerin. Dazwischen hofft eine auf die Karriere als Countrysängerin (Elisabeth Holzmeister), eine andere (Eva Hofer) auf den rettenden Anruf aus Asien und eine dritte positioniert sich als unnahbare Ober-Pilzjägerin (Gabriela Hiti).

Im fluiden Bedeutungskomos, den Regisseur Helmut Köpping aufschlägt, steht das Wahrscheinliche und das Unwahrscheinliche gleichberechtigt nebeneinander: "Früher haben wir noch gedacht, zu wissen, wo es lang geht" – in diesem Szenario sind die Protagonisten über diese Phase bereits hinaus. So konkret der Wald, der Pilz und die Menschen, so uneindeutig ist ihre jeweilige Identität: "Wie würdest du den Pilz beschreiben?", fragt die Figur einer Außenstehenden (Juliette Eröd) unentwegt und erfolglos.

Köppings Stück ist, im Sinne Haraways, helden- und im Großen und Ganzen plotfrei. Stattdessen beobachtet das Publikum ein Nebeneinander von Zuständen in Menschenform und die Überwindung der Hoffnung: Diese Welt wird nicht gerettet werden – und ist trotzdem erstaunlich: Mit einem bildgewaltigen Tanzfuriosum von Lorenz Kabas vor der mächtigen Tunnelentlüftungsanlage endet ein amüsanter, kluger Performanceabend.