Selbst ein Bundesminister, der sich als Mitglied einer nicht für ihre Polemiken bekannten Expertenregierung stets diplomatisch ausdrückt, wollte am 1. Oktober seine Irritation nicht verbergen. „Das ist eigentlich beispiellos“, sagte Alexander Schallenberg und „höchst unprofessionell“. Der Direktor der Uffizien in Florenz, hatte die Kulturlandschaft in Aufregung versetzt, als bekannt wurde, dass er sein Amt als Chef des Kunsthistorischen Museums Wien (KHM) nicht wie geplant im November antreten würde. Der 2017 als Sabine Haags Nachfolger zum KHM-Chef gekürte Eike Schmidt leistete sich gegenüber einer Welt, in der die Weichen normalerweise langfristig gestellt werden, einen echten Affront.

Grotesk waren zum Teil Schmidts Erklärungen seiner Motive: Es sei ihm klar geworden, dass „Sabine Haag gerne ihre Stelle behalten“ würde, wurde Schmidt im „Spiegel“ zitiert. Der Grund für seinen Verbleib in Florenz lag aber eher an der italienischen Politik. Nach den heurigen Wahlen in Italien war Dario Franceschini als Kulturminister zurückgekehrt, jener Mann, der Schmidt 2015 geholt hatte. Für Schmidt bedeutete dieser Wechsel, dass er in Florenz wieder eine Zukunft hatte.

Mittlerweile ist Schmidt auch wenig überraschend als Uffizien-Direktor verlängert worden. Weil dadurch eine neue Ausschreibung des KHM-Postens notwendig geworden war, holte sich die Republik offenbar auch Geld von ihm zurück. Mitte Dezember wurde bekannt, dass man sich auf einen Schadenersatz von 40.000 Euro geeinigt hatte. Offiziell wurde die Höhe der Zahlung allerdings nicht gemacht.

Die zweite Hauptdarstellerin in der Causa war Sabine Haag. Die war 2017 unter dem SP-Kulturminister Thomas Drozda ausgebootet worden. Haag, die das KHM 2009 von Wilfried Seipel übernommen hatte, wollte eigentlich weitermachen, wurde aber im Findungsprozess hinter Schmidt an zweiter Stelle gereiht. Haag war trotz der Kränkung sehr kooperativ: Sie schloss die zehnmonatige Lücke, die durch Schmidts Sonderwunsch entstanden war, nicht im Jänner, sondern erst im November nach Wien zu wechseln. Und auch als Schmidt ganz absprang, war sie bei der Stelle. Schnell meldeten sich Stimmen, die loyale Haag müsse wieder fix Chefin werden. Und knapp vor Weihnachten ging sie unter allgemeinem Beifall tatsächlich als Siegerin der Ausschreibung hervor. Haag wird das KHM bis 2025 leiten.

Dabei war die Bestellung Eike Schmidts 2017 nicht der einzige Überraschungscoup von Ex-Kulturminister Drozda gewesen. Bereits 2016 hatte er Bogdan Roscic künftigen Direktor der Wiener Staatsoper bekannt gegeben. Die Analogie zum Fall Schmidt/Haag: Auch der amtierende Direktor Dominique Meyer wäre gern länger geblieben. Meyer fand 2019 jedoch einen neuen, attraktiven Job. Nächstes Jahr wird er Chef der Mailänder Scala, nachdem man dort mit Alexander Pereira gebrochen hatte. Letzterer wechselt übrigens ans Musiktheater Florenz. Ja, so dreht sich das Intendantenkarussell. Dass sich mit Bogdan Roscic ein ähnlicher Skandal wiederholt wie mit Eike Schmidt, ist natürlich nicht zu erwarten. Roscic plant seine Amtszeit ab 1. September 2020 längst intensiv, hat einen neuen Musikdirektor und einen Ballettchef installiert. Kein Vergleich zu Schmidt, der fürs KHM im Grunde nur eine Beethoven-Ausstellung vorausgeplant haben soll. Die wird im März auch unter Sabine Haag kommen.

Die dritte große Kulturpersonalie, die in der kurzen, aber knackigen Ära Thomas Drozdas von 2016 bis 2017 beschlossen wurde, war auch glücklicher als die Causa Schmidt: Seit Herbst 2019 leitet Martin Kusej das Wiener Burgtheater.

Martin Gasser