Nach dem umjubelten Einzug von Conchita Wurst ins Finale des Eurovision Song Contests in Kopenhagen, scheint der Sieg für Österreich beim größten Musikwettbewerb der Welt mit einem Male tatsächlich denkbar. Die Wettbüros sehen die Diva mit Vollbart jedenfalls bereits in den Top 3 - in einem relativ gleichauf liegenden Trio mit Schweden und den Niederlanden.

"Starkes Zeichen für ein offenes Europa"

Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) wertete den Finaleinzug als "ein starkes Zeichen für ein tolerantes und offenes Europa". Ihre Teilnahme sei "ein Statement für die Freiheit der Kunst in Form und Ausdruck". Er gratulierte Conchita Wurst "zu ihrem erfolgreichen Auftritt und wünsche alles Gute für das Finale in Kopenhagen". Es freue ihn "besonders, dass dieses Zeichen gerade am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, aus Österreich gekommen ist und uns daran erinnert, gewohnte Sichtweisen zu hinterfragen und nicht in Vorurteile zu verfallen". Auch im ORF freut man sich: Auf ORF eins verfolgten gestern bis zu 850.000 Zuseher den Song von Wurst, das anschließende Voting sahen im Schnitt 822.000 (Spitzenwert: 872.000) Zuschauer, bei einem Marktanteil von 44 Prozent.

Wurst ist in den vergangenen Tagen ein glatter Durchmarsch gelungen, lag die dunkelhaarige Lady doch noch vor zwei Tagen auf Platz 10. Bei der Show startet Wurst nun mit Startnummer 11 ziemlich in der Mitte des Feldes. Sollte sie am Samstag beim großen Finale tatsächlich gegen die 25 Konkurrenten triumphieren, wäre das jedenfalls der erst zweite Sieg Österreichs beim ESC seit Udo Jürgens' "Merci Cherie" 1966. Damit würden jene 70 Prozent der Befragten recht behalten, die in einer aktuellen Erhebung des Klagenfurter Humaninstitut angaben, Wurst werde beim ESC gut abschneiden (versus 22 Prozent, die das nicht glauben). Allerdings halten demnach laut Umfrage nur 52 Prozent Wurst für die richtige Wahl für Österreich (versus 33 Prozent, die das anders sehen).

Für einen Sieg müsste sich die Vollbartträgerin aber erst gegen die derzeit hauchdünn auf Platz 1 liegende Schwedin Sanna Nielsen durchsetzen, die mit "Undo" in die Fußstapfen von Celine Dion tritt. Zu den Aufsteigern der vergangenen Tage gehört auch die derzeitige Nummer 2 bei den Zockern, das Folkduo The Common Linnets aus den Niederlanden, das mit seinem berührenden Duett "Calm After The Storm" etwas an Lady Antebellum erinnert.

Bereits mit leichtem Abstand auf dieses Führungstrio folgt dann der lange Zeit als Favorit gehandelte armenische Kandidat Aram Mp3 mit "Not Alone", der stimmlich im 1. Halbfinale etwas gewankt hatte. Auf Platz 5 sehen die Wetter derzeit einen Beitrag, der noch gar nicht im offiziellen Wettbewerb zu hören war: Großbritannien, das als großer Geldgeber automatisch erst im Finale startet, schickt mit "Children Of The Universe" die rauchige Stimme von Molly ins Rennen.

Stilistisch andersgeartet ist die Nummer des ungarischen Teilnehmers Andras Kallay-Saunders, dem seine schnelle Ballade über Kindesmissbrauch, "Running", aber ebenso einen Platz in den Top 10 beschert, wie dem Gastgeberland Dänemark, das den jungen Basim im Bruno-Mars-Stil mit "Cliche Love Song" ins Rennen schickt und ebenfalls automatisch fürs Finale gesetzt war.

Mit negativer Tendenz nach unten ist Marija Jaremtschuk aus der Ukraine unterwegs, die von einem vorderen Rang mittlerweile auf Platz 8 abgerutscht ist. Ihre selbstkomponierte Tanznummer "Tick-Tock" oder die Idee, ihren Begleittänzer in ein überdimensionales Hamsterrad zu stecken, scheint einige Anhänger verloren zu haben.

Auch noch im einstelligen Bereich liegt Griechenlands aufgedrehtes Rapperduo Freaky Fortune feat. Risky Kidd, das sich für seine Nummer "Rise Up" sogar auf ein Trampolin haut. Und den Kreis der ersten Zehn komplettiert derzeit mit melancholischen Klängen der Norweger Carl Espen, der bei seiner introspektiven Ballade "Silent Storm" ungeachtet Ganzarmtätowierung auf reduzierte Inszenierung setzt.

Variantenreich sieht es auch am anderen Ende des Teilnehmerfeldes aus: Wohl keine Hoffnungen auf einen Sieg darf sich Weißrusslands Käsekuchenbarde Teo mit "Cheesecake" machen, der zwar im gestrigen Halbfinale überraschend den Aufstieg schaffte, von den Wettern am Samstag aber lediglich auf Platz 24 gereiht wird. Ihm folgt demnach der einzige Balkan-Ethnobeitrag des Bewerbs, "Moj svijet" aus Montenegros, für den es der 2-Meter-Mann Sergej Cetkovic ruhig angehen lässt. Das Schlusslicht der 26 Länder bildet derzeit eine Veteranin des Bewerbs: Valentina Monetta aus San Marino, die mit "Maybe" schon zum dritten Mal in Folge mit einem Song von ESC-Oldie Ralph Siegel antritt. Sie hat allerdings in ihrem Halbfinale die Wettbüros Lügen gestraft und ein Finalticket gelöst. Vielleicht gelingt ihr ja auch am Samstag eine Überraschung.