In den letzten Jahren sind Intros vulgo Vorspanne im Serienuniversum mitunter echte Kunstwerke geworden. Wir erinnern uns an „Game of Thrones“, der fast zwei epische Minuten lang war. Beim Intro von „WeCrashed“ (Apple TV+) liegt gleich die ganze Essenz der Serie drinnen: Ein antriebsloses Einhorn schleicht mit gesenktem Kopf durch ein Großraumbüro. Das Einhorn ist das Wappentier im Start-up-Business für die echten Durchstarter, bei denen Investoren Wunderland-Fantasien kriegen. Das dazugehörige Wunderkind zum Start-up „WeWork“ heißt Adam Neumann, gebürtiger Israeli, der 2010 mit seinem Partner Miguel McKelvey das Co-Working-Space-Unternehmen gründete. 2019 mit 47 Milliarden Dollar noch als eines der wertvollsten Start-ups der Welt bewertet, musste die Firma den geplanten Börsengang absagen – aus Mangel an Anlegern. Eine massive Abwertung war die Folge, und der Höhenflug war zu Ende, Neumann musste seinen Hut nehmen, der Druck der Investoren war zu groß.

Die Rolle des exaltierten Adam Neumann ist so etwas wie ein Heimspiel für Schauspieler Jared Leto, der diesen sukzessive an sich selbst und am Erfolg berauschten Unternehmer gibt. Anfänglich ein erfolgloser Vertreter für allerlei, ist es seine Frau Rebekah Paltrow (Anne Hathaway), Cousine von Gwyneth Paltrow, Yoga-Lehrerin und wenig erfolgreiche Schauspielerin, die ihm die Flügel zum Höhenflug à la Ikarus anschraubt: „Du bist eine Supernova!“ In der Kombination mit Adams Verkaufstalent wird das eine unschlagbare Kombination, die für Investoren mit viel Geld wirkt wie Baldrian auf Katzen: rauschhaft. Und Neumann weiß die richtigen Knöpfe zu drücken: „Wir verkaufen keine Tische, wir verkaufen Erfahrungen.“ „Believe“, „Dreams“ und überhaupt das „Game of Life“ – wenn der Erfolg zur Religion wird.

Doch der Lack ist dünn, wenn der Neid an der Außenwand des Erfolgs kratzt: Während sich Jared Leto gekonnt bis zur Hybris pusht, gibt Anne Hathaway die guruhafte, verständnisvolle Frau, in der es gewaltig brodelt. In Summe setzt das Powercouple einen Wirbelsturm mit ordentlicher Sogwirkung in Gang. Nicht zu vergessen: Die achtteilige Serie nimmt auch gekonnt die Mechanismen der Start-up-Szene und ihre hysterische Suche nach dem Next Big Thing aufs Korn.

Jared Leto ist die Rolle des Exzessmeisters auf den Leib geschneidert. Nicht nur, weil er als Sänger der Band „Thirty Seconds to Mars“ ein Partygen in sich trägt. Vielmehr zelebriert er seine Rollen ausschweifend – erst kürzlich, als er in die Rolle von Paolo Gucci in „House of Gucci“ schlüpfte. Vielen war der bis zur Unkenntlichkeit maskierte Leto einen Tick zu exzentrisch bis weinerlich. Eher das Gegenteil davon war seine Rolle 2016 als Joker in „Suicide Squad“ – erratisch und brandgefährlich. Und ab 1. April mutiert er im Kino zu „Morbius“, einem Biochemiker, der zum Vampir wird. Ein dunkler Charakter aus dem Spider-Man-Universum.

Das entspricht nicht so dem Persönlichkeitsprofil von Jared Leto, der eher damit auffällt, dass er schon einmal seinen Oscar verliert. Jene Auszeichnung, die er 2014 für seine Nebenrolle als aidskranke Trans-Frau Rayon im Film „Dallas Buyers Club“ erhielt. Dass ihm der Goldjunge fehlt, merkte er erst beim Umzug, wie er James Corden in dessen Show schilderte. Wie er überhaupt alles andere als aufgeregt zu sein scheint: Von der Pandemie bekam er zunächst nichts mit, weil er ohne Smartphone beim Meditationskurs in der Wüste war. Auffällig hingegen ist Letos Faible für Mode, und das nicht erst, seit der 50-Jährige zur Muse von Gucci-Kreativchef Alessandro Michele mutiert ist. Seit Jahren ist er Fixstarter auf den Best-Dressed-Listen – auch, weil er sich nie sonderlich um geschlechtsspezifische Mode gekümmert hat. Ein Wandler zwischen den Grenzen, die ohnehin schon brüchig werden.

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