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Schon in den ersten Minuten möchte man einem der beiden Burschen zurufen: Jetzt trödel halt, nur fünf Minuten! Bitte! Doch es ist unvermeidlich: Der eine mit dem Auto, der andere mit dem Motorrad – und letzterer überlebt den Unfall nicht. Beide schauen sich am Straßenrand in die Augen: Der eine ringt als Asthmatiker panisch um Luft, der andere kämpft mit dem Tod. Schon der Beginn der zehnteiligen Serie "Your Honor" ist emotional dramatisch, auf Schonung braucht man nicht zu hoffen. Der Unfalllenker ist der Sohn eines angesehenen Richters (Bryan Cranston), das Opfer der Sohn des stadtbekannten Mafiapaten – auch deshalb versucht das Vater-Sohn-Gespann die Tat zu vertuschen.

Cranston schlüpft in eine Rolle, die man von ihm aus „Breaking Bad“ kennt: tarnen, täuschen, vertuschen, sich immer weiter in den Sumpf reiten. So schnell wird man vom ehrenwerten Bürger zum Kriminellen. Doch "Your Honor" ist mehr: Als ein junger Schwarzer als vermeintlicher Täter gefasst wird, weiß man als Zuschauer gar nicht mehr, um wen man mehr zittern soll. Dicht gestrickter Thriller, der auch strukturellen Rassismus und die Privilegien der weißen Oberschicht thematisiert. Drehbuchautor Peter Moffat adaptierte für HBO die israelische Serie "Kvodo" (2017) und zeigt eindrücklich, welchen Dynamiken gesellschaftliche Hierarchien unterliegen.