Welt, Dschungel, Universum. Wer Streaming sagt, verweist gerne auf die Unübersichtlichkeit dieser Plattformen und ihrer schnell wachsenden Angebote. Für ein wenig Orientierung sorgte bisher die grobe Unterscheidung zwischen Sportkanälen und fiktionalen Kanälen. DAZN hier, Amazon Prime, Disney und Netflix dort und Sky als Hybrid. Das hat sich nicht erst am vergangenen Montag geändert, als Amazon erstmals eine Begegnung der deutschen Bundesliga übertrug. Die Aktion könnte wegweisend sein: Die Vergabe der Bundesliga-Rechte steht an und Prime soll großes Interesse haben. Schon fix im Portfolio hat der Bezos-Konzern die Champions League ab der Saison 2021.

Ebenfalls eine 180°-Kehrtwende vollzieht der Branchenneuling aus Cupertino in Kalifornien. Apple TV+, erst im Herbst gestartet, will sich in Zukunft nicht darauf beschränken, ein kleines Repertoire an Eigenproduktionen aufzubauen. Weil die Konkurrenz deutlich schneller wächst, will man auch auf Zukäufe von Filmen und Serien setzen und den Fokus auf ältere Produktionen richten.

„Little Fires Everywhere“ ist eine Serie (ab 22. Mai auf Amazon Prime), die gut ins Apple-Universum passen würde: Ihren vier Kindern hat die Journalistin Elena Richardson Farben zugewiesen, Sex gibt es Mittwoch- und Samstagabend, wenn sie ihren Perfektionismus perfektioniert, entschlüpft ihr ein zufriedenes Lächeln. Reese Witherspoon hat die Rolle der erfolgreichen Allrounderin perfektioniert: Job top, Familie top, schöner Schein top. Da kann Kerry Washington als distanzierte Künstlerin Mia Warner nicht mithalten: Was der Zuschauer sich zusammenreimen kann – sie scheint mit ihrer Tochter auf der Flucht zu sein, kein Ort ist ein sicherer Hafen. Und doch legt sie in dieser kleinstädtischen Idylle an.

Die Wege der beiden Frauen überschneiden sich: Mia wird Haushälterin bei den Richardsons, die Tochter freundet sich mit deren Kindern an. Doch so wirklich warm wird man nicht miteinander, vielleicht auch, weil Mia in dieser smalltalkgeschwängerten Atmosphäre die Distanz wahrt. Am Ende brennt der Hut oder anders gesagt: die Hütte, und zwar die von Elena. Und sie brennt gewaltig. Ein Unfall? Ausgeschlossen, denn die Ermittlungen ergeben, dass „Little Fires Everywhere“, viele kleine Feuer, sich zum Inferno hochgelodert haben. Nur, wer war es? Die Serienumsetzung des gleichnamigen Bestsellers von Celeste Ng ist ein spannendes Psychogramm, das von der Dynamik der beiden Hauptfiguren lebt. Ein Hoch auf die hohe Kunst von Anziehung und Abstoßung. Plus: eine Serie ohne Smartphones, denn wir schreiben das Jahr 1997.


„Homecoming“. Vordergründig hat sich das Programm „Homecoming“ zur Aufgabe gemacht, traumatisierte US-Soldaten beim Wiedereinstieg in den Alltag zu helfen. Doch der schöne Schein trügt: Die Firma hat ganz anderes im Sinn. In der zweiten Staffel (ab heute auf Amazon Prime) überlässt Julia Roberts die Hauptrolle an Janelle Monáe. Die wacht in einem Boot an einem See auf – ohne jegliche Erinnerung. Und auch sie landet in der ungewöhnlichen „Wellnesseinrichtung“.


„Snowpiercer“. Auch kein Ponyhof ist, was die auf dem gleichnamigen Film basierende Serie „Snowpiercer“ (Netflix) zu erzählen hat: Ein Zug fährt in diesem dystopischen Szenario in einer Endlosschleife durch eine zugefrorene Welt. 1000 Waggons transportieren alles und alle, was von der Menschheit und den Menschen übrig geblieben ist. Wenig tröstlich: Das Prinzip der Ungleichheit schafft es bis zur Apokalypse. Hinten die Armen, vorne die Reichen. Dazwischen das Ausgleichsventil, das es jederzeit zerreißen könnte.Mit „Snowpiercer“ gelang dem südkoreanischen Regisseur Joon-ho Bong 2013 ein ziemlich irres Meisterwerk. An der Serienadaption ist der Oscarpreisträger („Parasite“) als Produzent beteiligt. Was ebenso, wie die lange Projektdauer, nicht zwingend zum Erfolg beiträgt: Jahrelang hatte sich die Fertigstellung hinausgezögert. Was kam heraus? Die ersten Folgen lassen ein mühsam-langsames Armageddon erwarten. Offiziell zu sehen ab 25. Mai.