Alicia Keys: Neues Altes von der Königin

Die Soulkönigin Alicia Keys bringt ihre Alben im Stanley-Kubrick-Abstand (also alle vier Jahre) heraus. „Alicia“ ist einzeitgenössisches R&B-Almagam aus Soul, Pop, Dub, Disco, EDM und Hip Hop. Also eine Musik, die zugleich neu und vertraut klingt. Nur Daft Punk bringen die Poptraditionen noch eleganter zum Schwingen. Textlich ist „Alicia“ eine nachdenkliche Platte, die Zeiten sind ja wirklich schlimm genug. „Underdog“ wurde von Ed Sheeran mitgeschrieben, wobei Keys demonstriert, wie man einer solchen Nummer Spannung verleiht. Und das Duett „So Done“ mit dem fantastischen Khalid ist einer der Anwärter auf den „Song des Jahres“. 
Alicia Keys. Alicia. Sony.


Lucinda Williams: Wilder Kracher mit viel Seele

Es gibt Musikerinnen, die seit Jahrzehnten ein unglaubliches Qualitätslevel halten und weder ihre kreative Kraft noch Glaubwürdigkeit verlieren – „Americana“ Queen Lucinda Williams gehört dazu. Den Durchbruch schaffte sie zwar erst mit dem ikonischen Album „Car Wheels on a Gravel Road“ (1998), ihr Debüt lieferte sie aber bereits 1979. Auch auf ihrem neuen, wunderbar wilden Album pendelt der Nashville-Widerborst zwischen Lethargie und Agonie, singt mit rauer Stimme und viel Wut im Bauch über die Schräglagen der Welt. Ein Kracher mit viel Seele!
Lucinda Williams. Good Soul Better Angels. Highway 20 Records.

Bob Mould: Das Herz eines Kämpfers

Natürlich mühen sich derzeit viele US-Bands an „ihrem“ Präsidenten ab, den sie zum Teufel und noch weiter fort wünschen, aber das harsche Statement des Ex-Hüsker-Dü-Frontmanns ist eine musikalische und inhaltliche Bereicherung in diesem Kanon. Mit fetzenden Gitarren und zorniger Stimme, die auch eine tiefe Melancholie in sich trägt, kämpft sich Bob Mould durch Zeitgeschehen und Album. Die Post-Punk-Attitüde funktioniert noch immer, und seine „Tales of Blame“ kann man in Zeiten wie diesen gar nicht oft genug hören. Das Herz des 59-Jährigen mag „Blue“ sein, aber es schlägt noch immer am richtigen Fleck.
Bob Mould. Blue Hearts. Merge

Fleet Foxes: Flockige Sound-Gemälde

Sie waren in den Nullerjahren Wegbereiter der Nu-Folk-Bewegung, jetzt legen Fleet Foxes ohne Mediengetöse ihr viertes Album mit dem Titel „Shore“ vor. Zu neuen Ufern bricht das Quintett aus Seattle zwar nicht auf, doch der mehrstimmige, flockige, leicht psychedelisch angehauchte Sound schleicht sich noch immer angenehm in die Gehörgänge und nistet sich dort ein. Die 15 Songs sind zum Großteil atmosphärisch dichte, fein ziselierte Landschafts- und Stimmungsimpressionen, die nicht nur die Schönheit, sondern auch die Vergänglichkeit des Schönen zum Thema haben. Zum Album-Titel meinte Sänger und Gitarrist Robin Pecknold in einem Interview, dass das Ufer für ihn einen sicheren Ort am Rande von etwas Ungewissem bedeute. Insofern ein sehr heutiges Album.
Fleet Foxes. Shore. Indigo.

Public Enemy: Old-School-Klassentreffen

Public Enemy waren die vielleicht einmal wichtigste Musikgruppe um 1990. Rechtzeitig vor der Präsidentenwahl melden sich die New Yorker Polit-Rapper zurück: Das Album kreist immer wieder um den verhassten Trump und die Unterdrückung der Schwarzen. "Vote this Joke out or die tryin'" rappt Chuck D an einer Stelle.  Dass sich in 30 Jahren wenig an der politischen Situtatoin geändert hat, zeigt der neu aufgenommene Klassiker „Fight the Power“, wo sich auch die Kollegen Nas und Black Thought zur schlechten Lage äußern. Run DMC, Cypress Hill, DJ Premier sind bei dem vom Rap-Politologen Chuck D einberufenen Klassentreffen ebenso dabei. Musikalisch hat das so gut wie nichts mit aktuellem Hip-Hop gemein, doch der 80er-Jahre-Stil funktioniert zumindest auf einigen Stücken fantastisch. Etwa auf „Toxic“ oder „State of the Union“. Über ein paar andere Tracks spricht man dagegen lieber nicht.
Public Enemy. What You Gonna Do When The Grid Goes Down? Def Jam.

Tricky: Die Hypnose des Schmerzes

Pechschwarze Wolken haben den Trip-Hop-Veteranen schon immer umgeben, aber nach dem Tod seiner 24-jährigen Tochter mutierte Adrian Thaws alias Tricky endgültig zum Schmerzensmann. „I Hate This Fucking Pain“ wütet er auf dem neuen Album, das aber trotz Düsternis einen Hoffnungsstrahl beinhaltet. Die skizzenhaften, schummrigen Songs, meist gesungen von Marta Zlakowska, üben eine hypnotische Sogwirkung aus. Zwischendurch zerfransen die Stücke, aber gerade das Bruchstückhafte spiegelt das zerkratzte Innenleben des Musikers gut wider.
Tricky. Fall to Pieces. Indigo.