Die texanische Band Khruangbin hat der künstlich-manierierten Musiksparte „World Music“ neues Leben eingehaucht und zählt derzeit zu den wohl essenziellsten Geheimtipps der Musikwelt. Vom Platten-Nerd bis zum Gelegenheitshörer kann sich jeder auf dieses Trio einigen. Auch ihr vor Kurzem veröffentlichtes drittes Studioalbum „Mordechai“ erschafft einen ungewöhnlichen Kosmos mit Einflüssen aus thailändischem Funk, psychedelischem Rock und Soul, der ganz ohne Anbiederung auskommt.

Khruangbin scheint so offen für jede Art von Musik zu sein. Auch auf eurem neuen Album öffnet sich dem Hörer ein weltumspannender Klangmix. Gibt es eigentlich auch Momente, in denen Sie engstirnig agieren?
Donald Johnson: Wir sind eben auch eine dreiköpfige Band, da kommen selbstverständlich viele Einflüsse zusammen. Wir haben unsere Formel gefunden, Khruangbin steht für eine gewisse Verschmelzung und Annäherung an diese Einflüsse aus unterschiedlichen Ecken. Und da wollen wir eigentlich auch gar keine weiteren Räume im Sinne einer anderen Herangehensweise mehr öffnen. Das ist vielleicht engstirnig.

Ist Khruangbin eine Band des Understatements?
Johnson: Ja, ich glaube, das sind wir in der Tat. Weniger ist mehr. Das ist unsere Philosophie.

Eure Musik wirkt trotz all der Dichte dennoch ungewohnt reduziert. Bassistin Laura Lee spielt ohne Effekte direkt in den Verstärker, getrommelt werden minimalistische Rhythmen auf einem abgespeckten Schlagzeug. Das klingt eigentlich so gar nicht nach „World Music“?
Mark Speer: Wir haben keine aufgeblasenen Computer, wenig bis gar keine elektronischen Hilfsmittel. Musik benötigt kein teures, technisches Equipment. Technik braucht es nur, wenn es um das Spielen von Melodien geht. Wir erfüllen natürlich nicht den Standard der klassischen, europäischen Musikschule. Aber wir haben unsere eigene Technik gefunden. Und die ist besser als jede andere.

„Mordechai“ von Khruangbin
„Mordechai“ von Khruangbin © Dead Oceans

Das neue Album „Mordechai“ klingt noch unmittelbarer und freier als die Alben davor.
Speer: Ja, dieses Album lebt noch mehr vom Bewusstseinsstrom als die Vorgänger. Obwohl wir diesmal deutlich weniger Zeit hatten. Die Grundeinstellung war: „Wir lassen alles ineinanderfließen und werden uns am Ende um den Richtungslauf des Flusses entscheiden.“


Der Text spielt in eurer Musik eine untergeordnete Rolle. Der Großteil der Songs ist instrumental. Was lässt ihr statt Worten sprechen?
Speer: Ich spreche durch meine Gitarre. Texte und Wörter zu schreiben, ist sehr schwierig für mich. Es fühlt sich einfach nicht natürlich an. Musik gab mir die Möglichkeit, mich nicht sozial weiterentwickeln zu müssen, sondern einen Zufluchtsort und Frieden in Melodien zu finden.
Laura Lee: Und wenn wir Texte in die Songs packen, erzählen diese meistens keine Geschichten. Für uns müssen Wörter in Liedern Gefühle vermitteln. Wir bieten eine Art Baukasten an, und das Bewusstsein des Einzelnen bastelt sich daraus seine Story.



Auch mit wenig Texten sprecht ihr viele Sprachen und entdeckt gerne unbekannte Musik aus fernen Kulturen. Was war eigentlich eure erste musikalische Entdeckung, an die ihr euch erinnern könnt, und wie hat euch das Gehörte beeinflusst?
Speer: Meine erste Erinnerung an Musik führt mich zurück in mein Elternhaus. Mama und Papa hatten Freunde eingeladen. Dieser eine Song mit dem Titel „Put Another Log on the Fire“, wurde gespielt. Das Lied ist auf irgendeinem Country-Album, wenn ich mich nicht irre. In weiterer Folge kann ich mich an einzelne Roadtrips mit meiner Familie erinnern. Im Auto lief das klassische Gitarrenzeugs von Julian Bream auf und ab.
Lee: Meine Eltern wohnten 30 Minuten außerhalb von Houston. Es waren fast immer die Beatles, die wir auf dem Weg zur Schule und dann am Nachmittag zurück nach Hause gehört haben. Durch die Beatles-Texte, die bei den Kassetten beigelegt waren, hab ich bereits im Alter von drei Jahren unabsichtlich Lesen gelernt.

Apropos Lernen. Im neuen Song „Time (You and I)“ zelebriert ihr die Kindheit. Laura, Sie waren, bevor Sie in die Band eingestiegen sind, Lehrerin. Was können wir von Kindern lernen?
Lee: So ziemlich alles. Kinder sind wahnsinnig weise. Ihre Lebenseinstellung ist so pur und aufrichtig. Sie sind nicht überkompliziert wie wir Erwachsenen. Ich denke, es ist sehr wichtig, auf Kinder zu hören und sich etwas von ihnen abzuschauen.