Seit Samstagabend wissen es noch mehr Blues-Fans: Leibnitz liegt am Mississippi. Aus den Gewölben des völlig leeren Marenzikellers nämlich, „aus diesen heiligen Hallen“, meldete sich Oliver Mally exklusiv für Leserinnen und Leser der Kleinen Zeitung. Via Livestream lieferte er ihnen ein Solokonzert aus seinem „zweiten Wohnzimmer“, wo er schon oft auftrat, nach Hause auf ihre Endgeräte. Ob eingangs der „21st Century Blues“ oder das Schlummerlied „Sleep Well, My Love“, wie die meisten der präsentierten Songs aus der eigenen Feder des 53-Jährigen, oder am Ende „Like a Rolling Stone“ von Bob Dylan und „Time“ von Tom Waits: Mally begeisterte als ausgefuchster Gitarrist und Sänger mit feinerdigem, intimem Blueston, obwohl für ihn die Auftrittssituation „in einem leeren Raum, in dem man noch dazu beobachtet wird, sehr befremdlich war".

Das Konzert zum Nachhören:

„Ich hoffe, es geht euch gut da draußen“, rief Mally dem unsichtbaren Auditorium zu. Er erfüllte mit „Butterfly Girl“ auch einen Hörerwunsch, grüßte seinen Saitenkollegen Martin Moro, der bestimmt wieder über seine schlecht gestimmte Gitarre lästern werde, wie er schmunzelte, und machte selbst Werbung für die virtuelle Bühne der Kleinen Zeitung, auf der Künstlerinnen und Künstler „hoffentlich noch oft etwas Licht in die verdunkelte Zeit bringen werden“. Das Publikum solle der Wohnzimmer-Konzert-Serie treu bleiben, wünschte sich Mally, und den Zusehern im virtuellen Raum schickte er auch noch eine nichtmusikalische Botschaft: „Let love rule, stay home and stay safe!“

Trotz der offziell verordneten Distanz im Kampf gegen Corona solle man "näher zusammenrücken im Geiste und im Herzen", stellt sich Oliver Mally vor. Und auf niemanden vergessen. Darum würde er etwaige Spenden für sein Konzert dem Vinzidorf von Pfarrer Wolfgang Pucher zugutekommen lassen, denn „auf Menschen, denen es ohnehin nicht gut geht, sollte man jetzt besonders schauen. Auf Menschen die zum Beispiel gar kein Dach überm Kopf haben, unter das sie sich in Notzeiten zurückziehen können.“

CD-Tipp: Sir Oliver Mally & Hubert Hofherr. Overdue. Timezone.

Sir Oliver Mally im Porträt

von Julian Melichar

Blues. Das ist das unbeschreibliche gewisse Etwas, das zwischen den Zeilen und Noten mitschwingt. Blues. Das ist auch eine Art blaues Wunder. „Es ist meine am längsten andauernde Liebesbeziehung“, sagt „Sir“ Oliver Mally schmunzelnd. Seit 35 Jahren hält sie mittlerweile an, seine Liebe zum Blues. Die Leidenschaft lebt, die Herangehensweise changierte über die Jahre, wie das bei einer Partnerschaft so ist. Die Anfangsjahre wurden mit muskelbepackten Soli und Speed-Exzessen begangen, heute hört der Musiker lieber dem Song beim leisen Atmen zu. „Ich habe mich aus meiner Streichholzschachtel herausgewagt“, sagt Mally.

Verehrt und geehrt wird seine zeitgenössische Lesart des Genres rund um den Globus. Ob mutige Interpretationen von Songs des wehmütigen Meisters Bob Dylan oder eigenes Liedgut, der „Sir“ erlaubte sich auf seinem 35 Jahre langen Karrieremarsch einige Umwege, aber selten Fehltritte. Vielleicht liegt das auch daran, dass der 53-Jährige seine Arbeit stets als Handwerk sah. Als „handgemachte und herzgeformte Rituale“ charakterisiert Mally seine melancholische Song-Feinarbeit: „Der Blues sagt uns stets, dass es weitergeht.“

Beginn der Wohnzimmer-Konzerte

Am Samstag hat Oliver Mally ein ganz besonderes Konzert gegeben. In seinen eigenen vier Wänden in der Südsteiermark machte der Bluesmusiker den Auftakt zu einer Serie von Auftritten, die per Livestream übertragen werden. Zu sehen und zu hören sind die Auftritte über unsere Smartphone-App und auf der Homepage der Kleinen Zeitung. Wobei Mally durchaus ein Fan von unverfälschten Konzerterlebnissen ist, wie er kürzlich in einem Gespräch mit der "Kleinen Zeitung" verriet: "Man hört immer nur von Fake News, aber es gibt auch viel Fake Music, musikalischen Schrott. Und davon wollen viele nichts mehr hören. Ich glaube, dass sich die Menschen gerne berühren lassen. Einfach einmal den 12-, 14-Stunden-Tag vergessen, durch den viele gepeitscht werden, und Musik auf sich wirken lassen - und das länger als für die Dauer des Konzertes. Die Menschen schätzen am Blues, dass sie sehen, wie jemand bereit ist, sich für sie auszuziehen."