Beginnen wir mittendrin, auf dem Zenit. Höher hinauf ging es dann nicht mehr, auch nicht für einen König, auch nicht für Michael Jackson, den „King of Pop“, wie er auch heute noch genannt wird, obwohl die Majestätsverehrung erst zuletzt wieder arge Dämpfer erlitten hat.

Beginnen wir 1982, Jackson ist damals 23 Jahre alt. Ende des Jahres war das Album „Thriller“ erschienen, das mit mehr als 47 Millionen verkauften Exemplaren, sieben ausgekoppelten Hitsingles und acht Grammys neue Dimensionen schuf. Die Musik war exzeptionell: Sie betörte, ohne zu verstören. Sie groovte, sie hatte den seidigen Schmalz des Motown-Soul, aber auch die Schneid des Funk. 43 Minuten pralle Tanzflächenhypnotik. Unfassbar gut, unfassbar perfekt. Im Moonwalk griff Jackson nach den Sternen.

Auch das Timing war ideal. Im Jahr zuvor hatte der Musiksender MTV damit begonnen, die Verbreitung von Popmusik zu revolutionieren. Jackson, ein begnadeter Tänzer, lieferte opulente Videos, die heute noch Maßstab sind. Das gesamte „Thriller“-Paket war ein genialer Marketing-Thriller: Die 80er gierten nach Harmonie und Oberfläche, Jackson lieferte beides. Seine Musik schloss niemanden aus, sie versöhnte Rassen, Klassen, Generationen. Besser ging es nicht. Besser wurde es auch nicht mehr.

Mit dem Nachfolgealbum „Bad“ konnte Jackson das Erfolgskonzept noch einmal aufkochen, doch dann sollte dieser Titel zum bösen Omen werden. Aus dem unantastbaren Superstar wurde zunehmend eine unnahbare, tragische Figur. Mehr als über seine Musik wurde jetzt über seine Gesichtsoperationen, seine schrittweise „Verweißung“, seine Alibi-Ehen, das Zustandekommen seiner Kinder gesprochen – und im Sommer 1993 tauchten dann erstmals Vorwürfe auf, wonach Jacksons legendäre Kinderfreundlichkeit, die er mit Vorliebe auf seiner Peter Pan’schen „Neverland“-Ranch zelebrierte, in mehreren Fällen in sexuellen Missbrauch ausgeartet sein könnte. Prozesse folgten, viel (Schweige-)Geld floss, zu einer Verurteilung kam es jedoch nie.

Dieser dunkle Schatten verfolgt Michael Jackson auch zehn Jahre nach seinem Tod. In der Dokumentation „Leaving Neverland“ (2019) des Regisseurs Dan Reed berichten Wade Robson und James Safechuck in schockierender Detailtreue, wie „Jacko“ sie sexuell missbraucht haben soll, als sie noch Kinder waren. Gegen diese Anschuldigungen kann sich Jackson ebenso wenig wehren wie gegen die ewige und müßige Diskussion, ob Kunst und Künstler trennbar sind; will heißen, ob die Kunst verdammt werden soll, wenn der Künstler verdammenswert ist. Wäre dem so, müssten zahlreiche Gemälde aus den Galerien verschwinden und viele Bücher aus den Verkaufsregalen.

Traum und Albtraum, Segen und Fluch, Höhenflug und Absturz lagen im tragischen Leben von Michael Jackson immer nahe beieinander. Das Kind Michael war kaum sechs Jahre alt, als es ins Scheinwerferlicht verpflanzt wurde. Unter der rigiden Kontrolle von Vater Joe entwickelten sich „Jackson Five“ zum höchst erfolgreichen Familien-Quintett. Der Preis war die frühe Deformierung, an dessen Nachwehen Jackson zeitlebens leiden sollte. Als er sich Ende der 70er-Jahre emanzipierte und 1979 sein erstes Soloalbum „Off the Wall“ aufnahm, entließ er seinen Vater kurz darauf aus seiner Managerfunktion. Den Dämonen konnte er freilich nicht kündigen.

Michael Jackson als Kinderstar
Michael Jackson als Kinderstar © AP

HIStory begann Anfang 2009 zu enden. Am 5. März kündigte Jackson seinen Abschied von der Bühne mit der gigantomanischen Konzertserie „This Is It“ in der Londoner O2-Arena an. Keines der Konzerte fand statt. Am 25. Juni 2009 wurde Michael Jackson leblos in seiner Villa in Los Angeles aufgefunden und um 14.26 Uhr Ortszeit für tot erklärt. Todesursache war eine akute Vergiftung durch ein Narkosemittel, das ihm regelmäßig von seinem (später verurteilten) Leibarzt verabreicht worden war. Möge er im ewigen Schlaf seinen Frieden finden.

Zur Information:
Michael Joseph Jackson, geb. am 29. August 1958 in Indiana, gestorben am 25. Juni 2009 in Los Angeles, stand schon als Kind mit „Jackson Five“ auf der Bühne, 1982 erschien sein Pop-Meilenstein „Thriller“. Bereits in den 90er-Jahren tauchten erste Vorwürfe wegen Kindesmissbrauchs auf. Im Film „Leaving Neverland“ (2019) erheben Wade Robson und James Safechuck erneut schwere Missbrauchsvorwürfe.

Termine:
"Beat It", das Musical über den King of Pop:
9. April 2020, Stadthalle Graz
Tickets: www.oeticket.com oder www.beat-it-musical.com