Der Name ist gut gewählt: Wann immer man dieses Bilderbuch aufschlägt und zum nächsten Kapitel weiterblättert, wartet die nächste schillernde Überraschung auf den Leser bzw. Hörer. Erst im Dezember des Vorjahres war mit „mea culpa“ das letzte Werk des Quartetts aus Oberösterreich erschienen. Ohne Kommentar, ohne Mediengetöse, nur digital erhältlich.

Jetzt, am Freitag, folgt mit „Vernissage My Heart“ der nächste Streich. Und wieder spielen die Herren Maurice Ernst, Michael Krammer, Peter Horazdovsky und Philipp Scheibl mit Erwartungshaltungen – um diese nur allzu gerne nicht zu erfüllen.

War „mea culpa“ noch ein absichtlich unfassbarer Rohling, der gut zu den unverbindlichen Weiten der digitalen Welt passte, ist das Geschwisterchen jetzt nahezu eine „Analoggeburt“.

Denn Bilderbuch machen sich einen großen Spaß daraus, wieder das in den Mittelpunkt zu rücken, was für jedwede Musik – und mag sie noch so quergedacht sein – nicht ganz unwesentlich ist: den Song. „Es ging für uns auch um die Frage, ob wir noch mehr Medienkünstler werden wollen, noch mehr Instagram-Model“, meint Frontmann Maurice Ernst im Interview. „Die Antwort war Nein. Wir sind in erster Linie Musiker, das ist die Essenz.“

Am Anfang stand die Absichtslosigkeit

Schon der erste Song des neues Albums ist eine schelmische Irreführung. „Kids im Park“ ist ein breitbeiniger Rocker. Die Gitarren jaulen, der Sänger setzt sich ins Shuttle in die Zukunft und heult sich hoch hinaus in die Galaxie. Aber so geht es natürlich nicht weiter. Schon der nächste Track – „Frisbeee“ – ist eine verspielte Chillout-Nummer, die den luftigen Flair der 90er in sich trägt. „Wir haben in erster Linie sehr viel zugelassen“, sagt Ernst. „Wir hatten keine Idee, was wir machen wollten, sondern sind nach Kroatien gefahren und haben uns zwei Wochen in ein Haus gesetzt mit der Frage: Was passiert, wenn wir heute anfangen, Musik zu machen. Ohne Idee, ohne Vorgaben.“

Der Bilderbuch-Kosmos


Diese Absichtslosigkeit, hinter der natürlich eine geballte Ladung kreativer Professionalität steckt, hat dieser neuen Songsammlung äußerst gutgetan. Auch vorher schon hatte viel Platz im Bilderbuch-Kosmos: Old-School-Gitarren, Synthie-Gefiepse, knallende Beats, babylonische Sprachverwirrung. Doch bisher wirkte das oft aufgesetzt und manieriert. Jetzt aber ist es keine billige Pose mehr, sondern die DNA eines gereiften und selbstbewussten Bandgefüges.

"Ein Lied über die Hoffnung"


In ihren Texten zeigten Bilderbuch schon immer Köpfchen, ohne allzu verkopft zu sein. Auf der neuen Platte hört man oft das Wort Zukunft, es geht um Freiheit und die Verantwortung, die damit verbunden ist – und es geht auch um Europa. Mit ihrer Marketing-Aktion zum Song „Europa 22“ – einen EU-Pass zum Selberbasteln – haben die Musiker großes Aufsehen erregt. „Dieser Song ist einfach nur ein Lied über Hoffnung“, so Ernst. „Ich bin jetzt 30 geworden, bin Europäer und habe ein Erbe. Darum geht es öfter auf der Platte: um ein Wachwerden und dass man dieses Gefühl wieder spitzt.“ Bilderbuch haben wieder nichts neu erfunden. Aber wie sie das Vorhandene zertrümmern und die Teile wieder lustvoll zusammensetzen, darin haben sie mittlerweile die Meisterklasse erreicht. Wie heißt es im Song „Kids im Park“? „Wir wollen brennen wie die Superstars.“ Brennt eh schon lichterloh!