Sicher, die Musikgeschichte will es, dass John Lennon das Genie war und Paul McCartney nur der Grandiose in der zweiten Reihe. Aber als (totes) Genie ist man bekanntlich unangreifbar - die Bürde müssen die (angreifbaren) Überlebenden tragen.

Eine Bürde, die Paul McCartney nicht immer leicht schulterte. Aber beim ersten von zwei Konzerten in der Wiener Stadthalle hatte man Mittwoch abend den Eindruck, dass der 76 Jahre alte Sir diesen Ballast abgeworfen hat und sich nur noch auf das konzentriert, was er ist. Und das ist unglaublich viel: Legende, einer der besten Songwriter aller Zeiten, Sänger, Bassist, Gitarrist, Show-Man, altersloser Lausbub, Sympathieträger usw.usf. In einem knapp dreistündigen Konzert hat McCartney alle Register seines Könnens gezogen und mit viel Kraft und Gefühl dafür gesorgt, dass nie der schale Geschmack der reinen Nostalgie aufkam. Am Donnerstag steht ein weiteres Konzert in der Stadthalle auf dem Kalender.

Sicher, wenn man Beatles-Songs am laufenden Band hört, verfängt man sich unweigerlich im Soundtrack seines Lebens. Mit "A Hard Days Night" hat das fulminante Konzert begonnen, mit "The End" - dem letzten von allen Beatles gemeinsam eingespielten Song - hat es geendet. Dazwischen hatte McCartney - begleitet von einer äußerst knackigen fünfköpfigen Band und drei Bläsern - sage und schreibe 36 Songs im Gepäck.

Viele davon haben längst Musikgeschichte geschrieben: "Can't Buy Me Love", "Love Me Do", "Lady Madonna", "Let It Be", "Hey Jude" und und und. Und, nein: "Yesterday" hatte der Sir Of Songs nicht auf der Liste. Bei dieser Fülle an Perlen wurde diese eine aber gar nicht vermisst. Berührende Höhepunkte: "Blackbird" stimmte McCartney nur mit Akustikbegleitung auf einer kleinen Hebebühne an. Und die Harrison-Hommage mit "Something" war schlicht tränentreibend. Aber nicht nur die alten Beatles-Songs verzauberten das Publikum, auch das "Wings"-Material und Songs aus dem letzten Soloalbum "Egypt Station" machten "live" eine äußerst gute, dynamische Figur.

Paul McCartney hat hart gerockt und schwer gearbeitet. Ohne Pause, ohne auch nur einmal zu einem Getränk zu greifen. Seine Stimme ist inzwischen etwas altersbrüchig, dafür hat er die Statur und Kondition eines Jungen. Die meisten Ansagen kamen im lupenreinen Deutsch. "Österreichisch", wie er immer wieder lächelnd betonte. Die Lichtshow war dezent, nur bei "Live And Let Die" spuckten die Feuerwerfer. Aber bei diesen Songs braucht man schließlich kein großes Brimborium.

Fazit: So jung, agil, unpeinlich und nicht Gestrig können Musiklegenden klingen. "The End" hieß hoffentlich nur der letzte Titel dieses Gänsehaut-Konzertes. Möge uns dieser große Überlebende noch lange erhalten bleiben.