Ihre Stärke war schon immer die Atmosphäre. Wann immer Massive Attack Großes ablieferten, schafften sie den Spagat zwischen kalten Sounds und warmen Klang. Ein Auge weit offen, das andere tief träumend. Naturgemäß nichts die einfachste aller Übungen, weshalb die treue Fangemeinde in letzter Zeit vor allem eines sehr gut kennt: das Gefühl des Wartens. Ein ganzes Album wurde im letzten Jahr eingestampft, schlecht soll es nicht gewesen sein. Nur die Atmosphäre wollte sich nicht so recht einstellen. Daher erscheint erst jetzt, sieben Jahre nach dem letzten Werk, das lange erwartete neue Album "Heligoland". Neuland soll es sein und nach tausend Tönen schwarz ist zumindest das Cover schon mal gelb. Man ist wieder aufgewacht.

Der Neustart der, man muss es ja einmal sagen, Trip-Hopper fängt jedoch genau so an, wie Trip-Hop eben klang, als er seine besten 15 Minuten hatte. "Prey for Rain" schüttelt eine langsame, in Schleifen wandernde Melodie aus dem Schaltkreis, dazu ein ebenso monotoner Drumlauf. Und doch, oder gerade deswegen: es funktioniert. Es ist einer der Pluspunkte der "neuen" Massive Attack: Die Gewänder sind nicht neu, aber sie sitzen wieder gut. Der Sound wurde im Vergleich zum Vorgänger „100th Windows“ angenehm reduziert. Auf der Haben-Seite steht zudem eine eindrucksvolle Gästeliste: Tunde Adebimpe, Damon Albarn und die bezaubernde Martina Topley-Bird geben sich hier das Mikrofon in die Hand. Dazu der alte Stammgast Horace Andy, der auch der ersten Single "Spitting the Atom" und ihrem stoischen Post-Reggae seinen sonoren Sprechgesang verleiht. Es sind das die guten Momente einer Platte, die den großen Befreiungsschlag aus den Synthie-Schwaden nie ganz schafft, vielleicht auch gar nicht schaffen will: Dieser gefühlte Zwitter aus düsterer Stimmung und seltsamer Entspannung. Finstere, industrielle Klanggebilde treffen auf den süßlichen Geruch einer allseits beliebten Nutzpflanze.

Doch ist nicht alles gut, was fiept und wummert. Der größte Feind von Massive Attack ist die Vergangenheit und so wird der Kampf gegen alte 4/4-Sequenzen und Synthie-Schwaden zum allzu auffälligen Mantra. Die Melodien werden unter den aggressiv abgemischten und bemüht vertrackten Beats kurz gehalten, im Vordergrund steht die Erneuerung. Was den Zweck zumeist erfüllt und nicht nur bei "Flat for the blade" an Radiohead erinnert, geht bei Zeiten auch mal nach hinten los: Der monotone Rhythmus von "Rush Minute" etwa gehörte schon 1996 nicht zum kreativsten seiner Art und wäre wohl im Hintergrund besser aufgehoben gewesen. Es sind die Kleinigkeiten, die stören. Doch auch, wenn der ganz große Wurf aus der Vergangenheit in die Zukunft dieses mal noch nicht gelingt: Massive Attack sind auf dem richtigen Weg. Jetzt nur nicht wieder einschlafen.

7.1. / 10