Vor dem für Mittwoch angesetzten Runden Tisch zum Gewaltschutz für Frauen haben Vertreter der Politik und NGOs am Sonntag in der ORF-Sendung "Im Zentrum" Möglichkeiten diskutiert, wie man Morde wie zuletzt möglichst verhindern, aber auch die gesamte Gesellschaft entsprechend verändern könnte. Einig war man sich vor allem darin, dass es nicht "die" wirksame Einzelmaßnahme gibt, sondern mit mehr Geldmitteln an den verschiedensten Stellen angesetzt werden muss.

Noch am meisten scheint man sich von den Fallkonferenzen zu versprechen, bei denen sich die verschiedensten Behörden mit den involvierten NGOs zusammensetzen, um mögliche Maßnahmen in einem aktuellen Fall zu diskutieren. "Hier soll es mehr geben", kündigte Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) an. Und diese sollen nicht nur wie derzeit stattfinden, wenn sie von der Polizei einberufen wird.

Verschärfung des Waffengesetzes

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) wird mit dem Innenminister über eine Verschärfung des Waffengesetzes sprechen, damit Gewalttätern bei Wegweisungen eventuell vorhandene Waffen abgenommen werden. Für Alexander Haydn von der Männerberatung Wien sei diese Maßnahme in Ordnung. "Aber das wird das Problem nicht lösen." Wenn man jemanden ermorden will, "werde man eine Waffe finden oder die Hände benutzen."

Andrea Brem, Geschäftsführerin der Wiener Frauenhäuser, kritisierte, dass viele Gewalttäter davonkommen, wenn sich ihr Opfer der Aussage entschlägt. Laut Zadic gibt es seit Dezember einen Erlass an die Staatsanwaltschaft, dass man auch abseits der Opferaussage nach Beweisen suchen soll, um diesem Problem zu begegnen. Dieser soll nun weiter überarbeitet werden.

Hohe Rückfallrate

Haydn ortete ein weiteres Problem im Justizbereich: Rund die Hälfte der Gewalttäter würde rückfällig. "Haft hat noch niemanden davon abgehalten, gewalttätig zu werden." Hier kündigte die Justizchefin an, mehr Geld für die Betreuung nach der Entlassung bereitzustellen. Mit Bewährungshilfe würde die Rückfallsquote um 20 Prozent sinken.

Doris Bures, Zweite Nationalratspräsidentin und ehemalige SPÖ-Frauenministerin, sieht bei den Gewaltschutzgesetzen keinen großen Handlungsbedarf, es sei aber notwendig, dass diese greifen. Es gebe immer wieder Ankündigungen - "aber dann geht man zur Tagesordnung über".

"An der Gleichstellung arbeiten"

Was die gesellschaftlichen Ansätze betrifft, kritisierte Brem, dass in der medialen Berichterstattung den Frauen als Opfern oft die Schuld gegeben werde. Problematisch sei das traditionelle Rollenbild, das etwa durch einen Ethikunterricht von Klein auf geändert gehört. Bei Scheidungen würde sie oft mittelalterliche Einstellungen zu hören bekommen. "Etwa dass die Frau es verdient hat, geschlagen zu werden, weil das Schnitzel nicht am Tisch stand." Haydn wünschte sich einen Gegenentwurf zur toxischen Männlichkeit.

"Wo die Gleichberechtigung fortgeschritten ist, sinkt die Bereitschaft, zu Hause auf die Frau einzudreschen", meinte Zadic. Deshalb müsse man an der Gleichstellung arbeiten. Auch Bures sah in der Gleichberechtigung und Partnerschaft ein Gegenmodell.

Beweissicherung bei häuslicher Gewalt oft schwierig

Rund 900 Frauen haben 2019 eine Vergewaltigung angezeigt, im selben Zeitraum kam es nicht einmal zu 100 Verurteilungen. Verfahren werden eingestellt, wenn Aussage gegen Aussage steht und die Beweise fehlen - also Verletzungen nicht oder nur schlecht dokumentiert werden. "Solche Dokumentationen müssen auch vor Gericht standhalten und das können Hausärzte meist nicht leisten", erklärt die Gerichtsmedizinerin Alexandra Meierhofer von der klinisch-forensischen Untersuchungsstelle in Graz im Ö1-Morgenjournal.

Die klinisch-forensische Untersuchungsstelle in Graz ist die einzige Einrichtung in Österreich, an die sich Opfer von Gewalt wenden können, um ihre Verletzungen dokumentieren zu lassen. "Wir untersuchen vollkommen anders als beispielsweise ein Hausarzt. Wir nehmen Befunde auf, wir sichern die Beweise und wir interpretieren die Befunde auch fachgerecht", meint Meierhofer. Selbstgemachte Fotos seien oft als Beweise unbrauchbar, weil Körperstelle, Größe des Hämatome und dergleichen oft nicht erkennbar seien und dann sehr schwer abzuleiten sei, ob es sich nicht auch um ein Sturzgeschehen handeln könne. "In jüngster Zeit haben alle Fälle der häuslichen Gewalt zugenommen. Primär sind es Schläge und alle Formen der körperlichen Gewalt", erläutert die Gerichtsmedizinerin. 

Geringer Stellenwert der Gerichtsmedizin in Österreich 

In Österreich fehle es zudem an finanziellen Mittel, auch in der der Ausbildung habe die Gerichtsmedizin einen geringeren Stellenwert als in anderen Ländern. Meierhofer absolvierte ihre Ausbildung in Deutschland und der Schweiz, dort sei die Gerichtsmedizin viel besser in die Gewaltprävention integriert. "Wir hatten ein Modell, wo wir 24 Stunden erreichbar waren, Polizei und Krankenhäuser haben uns selbst kontaktiert, wenn bei ihnen Fälle von möglicher Gewalt aufgeschlagen sind. Jeder Fall wurde untersucht." Das sei in Österreich wegen Mangel an Personal und Geldmitteln leider nicht möglich.