Es beginnt mit Trick 17 der (Film-)Dramaturgie: Anfängliche Glückseligkeit dehnt die Fallhöhe der Geschichte auf das Maximum. Es ist 1932, und in London wird gefeiert: Der Champagner fließt, man ist fesch, und die Mittzwanziger blicken übermütig auf ihre Zukunft. Man begießt die Freundschaft, ohne sich in allem einig zu sein: Deutschland ist das stolzeste Land der Welt, sagt Paul (Jannis Niewöhner), als wäre es etwas Gutes. Er glaubt an Hitler als einen, der Deutschland seine Würde zurückgeben werde. Gänzlich anderer Meinung ist sein Freund Hugh (George MacKay), der den fanatischen Judenhass und das Machtstreben erkennt, das längst als Menetekel des ultimativen Unglücks taugt.

Sechs Jahre später sind die düstersten Vorahnungen vor der Bestätigung auf dem Schlachtfeld: Am Horizont dämmerte der Krieg, mit dem Hitler wenig später Europa überzieht. Aus den Freunden von einst wurden offenbar Konkurrenten: Hugh hat es zum Berater des britischen Premiers Neville Chamberlain geschafft, Paul arbeitet im deutschen Außenministerium. In ihm scheint rechtzeitig die Erkenntnis gereift zu sein, wofür Hitlers Regime steht, also engagiert er sich im Widerstand.

Gemeinsam versuchen die früheren Oxford-Freunde bei der Konferenz 1938 in München, auf der in einem Abkommen das Schicksal des Sudetenlandes entschieden wurde, den drohenden Krieg zu verhindern. Dazwischen trinkt man Bier und träumt laut: „Morgen ist der Albtraum vorbei.“

Der auf dem Roman von Robert Harris basierende Film „München“ (Regie: Christian Schwochow) zeigt einen Chamberlain, der zögert, weil er den Krieg verhindern will, nur um schließlich zu verstehen, ihn höchstens verzögern zu können. Der „Herr Hitler“, wie Chamberlain ihn stets nennt, wird wiederum als wenig charismatischer Anführer dargestellt, der sich seinen Mitmenschen in jeder Hinsicht überlegen fühlt. Kein diabolischer Tyrann, eher ein überheblicher, einsamer Psychopath ist dieser in einer beigen Uniform wandelnde und von Ulrich Matthes dargestellte Hitler.
Erzählt wird die Kriegsdämmerung aus der Perspektive der länderübergreifenden Freundschaft ohne schiefe Ebene. Die Begegnungen von Hugh und Paul werden zum Diskurs über Moral und Pflicht, über die Macht und Ohnmacht des Einzelnen. Mündend in der Erkenntnis, dass einer alles ändern kann – wenn er nur könnte.