Knapp eineinhalb Monate sind vergangen, seit sich Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz aus der Politik zurückgezogen hat. Er, der Hoffnungsträger einer ÖVP, die er von Schwarz auf Türkis umfärbte, er, der mit 24 Jahren Staatssekretär und mit 31 Regierungschef wurde, steht am Donnerstagabend im Mittelpunkt eines Schwerpunkts in ORF III. Der Sender, der kontinuierlich sein Profil als Informationssender schärft, zeigt am Donnerstag um 20.15 Uhr die Doku "Sebastian Kurz – Der türkise Weg zur Macht". Franziska Mayr-Keber und Reiner Reitsamer erzählen darin die Geschichte vom steilen Aufstieg und vom tiefen Fall des Ex-Politikers. Was bleibt von ihm? Wo liegen seine Leistungen, wo seine negativen Folgen für das Land?

In Interviews kommen Wegbegleiter, Konkurrenten und Politikanalysten zu Wort. Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache schildert einen Menschen, der nicht aus der Balance zu bringen ist: "Er hat den Eindruck vermittelt, sich immer unter Kontrolle zu haben. Es war unheimlich." Ähnlich sieht das in der Doku der Politikberater Thomas Hofer: "Kurz war ein unglaublich kontrollierter, auf Fehlervermeidung programmierter Politiker. Er hat nichts dem Zufall überlassen." Wolfgang Schüssel, von 2000 bis 2007 ÖVP-Bundeskanzler, sieht durch Kurz "die politischen Mittel neu definiert – mit Themen, aber auch mit einem neuen Stil." Für den ehemaligen EU-Kommissar und österreichischen Landwirtschaftsminister Franz Fischler war Kurz "wie eine Silvesterrakete. Das ist irrsinnig schnell und senkrecht in die Höhe gestartet, hat ein Riesenlicht und Feuerwerk produziert – und ist dann sehr rasch auf den Boden gefallen."

Eva Linsinger, Journalistin beim "profil", beschreibt in der ORF III-Doku Österreich als Mutterland des Populismus: "Jörg Haider, Karl-Heinz Grasser – bei diesen Politikern gab es viel Show, aber ganz wenig Substanz. Da gehört auch Sebastian Kurz dazu, der mit diesem Populismus aufgewachsen ist." Zum politischen Niedergang von Sebastian Kurz führten am Ende Chat-Protokolle, die ein unwürdiges Sittenbild zeigten. Dazu die Journalistin Anneliese Rohrer: "Die Vorstellung, dass man von solchen Leuten regiert wird, hat mich empört. Aber mehr noch: Sie hat mich erschreckt."

Premiere für Lorenz-Dittlbacher

Vertieft wird die Auseinandersetzung mit dem Kurz-Erbe im Anschluss in der "Runde der ChefredakteurInnen". Dort diskutieren Rainer Nowak ("Die Presse"), Martina Salomon ("Kurier"), Christian Nusser ("Heute"), Petra Stuiber ("Der Standard") und Hubert Patterer von der Kleinen Zeitung. Moderiert wird das Gespräch erstmals von Neo-Chefredakteurin Lou Lorenz-Dittlbacher.