Wie sicher sind Sie, dass Sie am 10. August zum neuen ORF-Generaldirektor gewählt werden?
ROLAND WEISSMANN: Ich bin optimistisch, dass meine Bewerbung möglichst viele Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte überzeugen wird, und gehe positiv in die nächsten 14 Tage. Ich führe viele Gespräche, bekomme gute Signale und werde diesen Weg weiter fortsetzen.

Aus der Serie „House of Cards“ kennt man das Bild, dass Frank Underwood auf Flipcharts visualisierte, wen er auf seiner Seite hat. Haben Sie auch so eine Methode?
Nachdem ich ein zahlenfixierter Mensch bin, existiert die Wand nicht. Aber ich habe die 35 Stiftungsräte im Kopf und kann mir das gut merken.

Wie viele haben Sie im Kopf auf der Habenseite verbucht?
Gewählt wird am 10. August. Ich bin optimistisch, dass sich die Mehrheit ausgehen wird.

Mithilfe anderer Lager?
Ich hoffe auf eine breite Zustimmung über Fraktionsgrenzen hinweg.

Bei Ihrer Bekanntgabe haben Sie Ihre Unabhängigkeit betont. Sie gelten als Favorit der ÖVP. Gab es für Ihre Bewerbung einen Auftrag vom Bundeskanzler?
Es hat keinen Auftrag gegeben. Ich bin nicht der Kandidat für eine Partei, sondern der Kandidat für ein Amt. Ich befinde mich auch nicht im Wahlkampf. Es geht um die Bewerbung für einen Vorstandsposten. Ich sehe das als Wettbewerb der Zukunftsideen für den ORF. Der ORF steht für Unabhängigkeit und Objektivität. Dafür werde ich mich einsetzen. Ich bin seit 26 Jahren in verschiedenen Funktionen im Haus. Ich war Journalist, bin jetzt Manager. Der ORF ist unabhängig, hat eine große Relevanz für die Bevölkerung und meine Aufgabe ist jene, dass wir diese Relevanz auch in zehn oder 15 Jahren noch haben.

Einige Ihrer Schlagwörter zur Zukunft des ORF lauten: jünger, weiblicher, diverser, regionaler ...
Und digitaler.

Was meinen Sie mit diverser?
Der ORF ist der Sender für die Österreicherinnen und Österreicher. Divers bedeutet für mich, dass wir die Bevölkerung in ihrer Ganzheit abbilden und ansprechen wollen. Weil wir gewisse Communitys gar nicht mehr erreichen, haben wir in der Coronakrise unsere Nachrichten in insgesamt zehn Sprachen übersetzt und versucht, neue Communitys zu erreichen. Eine Möglichkeit wäre, das fortzuführen.

Interviemarathon an seinem freien Tag, wie er betonte: Roland Weißmann
Interviemarathon an seinem freien Tag, wie er betonte: Roland Weißmann © Christoph Kleinsasser

Das bezieht sich vor allem auch auf die Jungen.
Das wird die Herausforderung der nächsten Jahre sein, die unter 30-Jährigen anzusprechen, die sich fast nur noch digital informieren und auch so sozialisiert sind. Sie haben z. B. einen speziellen Zugang zur Work-Life-Balance, zur Diversität und zum Genderthema. Da brauchen wir neue Angebote. Wir müssen dorthin gehen, wo sie sind: in die sozialen Medien. Für die digitale Transformation brauchen wir auch einen Kulturwandel im Haus. Derzeit sind nur drei Prozent im Unternehmen unter 30. Wenn wir digitalen Content für die unter 30-Jährigen wollen, brauchen wir auch unter 30-Jährige, die die gleiche Sprache sprechen.

Wird sich der Diversitätsgedanke auch bei der Bestellung Ihres Teams manifestieren?
Absolut. Wir haben in den Jahren 2023 bis 2026 sehr viele, bis zu 600, pensionsbedingte Abgänge. Ich würde den Gendergap in diesen Jahren gerne schließen. Das inkludiert Diversität. Dafür braucht es entsprechende Nachbesetzungen.

Und bei Ihrem Leitungsteam?
Es sind Werte, die für einen Kulturwandel stehen und die gelten, sollte ich gewählt werden, auch für mein Führungsteam. Ich bin von der Veranlagung her ein Teamplayer.

Würde es unter Ihnen wieder einen Generalsekretär geben?
Tendenziell habe ich das jetzt nicht vor. Und bevor Sie mich das fragen, Richard Grasl wird auch nicht Generalsekretär.

Holen Sie ihn zum ORF zurück?
Ich plane nicht mit Richard Grasl im ORF. Er hat das auch selbst klargestellt.

Gilt die Maxime weiblicher und diverser auch für die Landesstudios? Es gibt aktuell keine Chefredakteurin und nur zwei Direktorinnen. Müssen einige bangen?
Nein. Wir brauchen den Kulturwandel auch in den Regionen. Und wir müssen, das wurde auch schon im Stiftungsrat angesprochen, schauen, dass sich das Geschlechterverhältnis verbessert. Ich freue mich, wenn sich viele Frauen bewerben.

Sind Änderungen in der Steiermark und in Kärnten geplant?
Soweit ich das von außen beurteilen kann, war die Arbeit in Kärnten und in der Steiermark in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich und jetzt muss man schauen, wer sich bewirbt.

Die Sportberichterstattung hat sich sehr verändert. Es gab Mitbewerber mit großem Budget, die einiges abgegrast haben. Was wird es unter Ihnen im ORF geben?
Die Strategie der letzten Jahre, sich sehr engagiert um Sportrechte zu bemühen, war die richtige. Sollte ich in die Verantwortung kommen, werde ich das weiterführen. Wir haben vieles geschafft. Ich freue mich auf die Ski-Berichterstattung in den kommenden Jahren. Wir haben jetzt auch bei den Olympischen Spielen tolle Quoten.

Sie sind auch Chefproducer: Was sind Ihre liebsten fiktionalen Produkte der letzten Jahre?
Als Chef der Fernsehfinanzen verwalte ich auch die fiktionalen Budgets. Der ORF ist der größte heimische Auftraggeber der Filmwirtschaft. Bisher haben wir jedes Jahr 100 Millionen investiert. Ab 2022 sind es noch ein paar Millionen mehr. Und wir haben einen eigenen Betrag in Millionenhöhe in einen Gender-Budgeting-Topf investiert. Ich bin ein Fan der „Vorstadtweiber“, von „Schnell ermittelt“ sowie „Janus“. Und ich freue mich auf die neue Serie „Alles finster“, die gerade mit hochkarätiger Besetzung gedreht wird.