Titelverteidiger AlexanderWrabetz ist noch der einzige deklarierte Anwärter, um den ORF bis 2027 als Generaldirektor zu leiten. Dann wäre er 20 Jahre an der Spitze des Medienhauses mit 3000 Mitarbeitern und einer Milliarde Euro Umsatz. Das hat vor ihm nur GerdBacher geschafft – allerdings mit Unterbrechungen. Er geriet zweimal zum Opfer der Politik. Des Widerspenstigen Zähmung hat sie nicht einmal versucht. Wrabetz hingegen wurde noch unter Schwarzorange gewählt, von Rotschwarz zweimal bestätigt, überstand das Intermezzo von Türkisblau und gilt nun als Favorit unter Türkisgrün.

Auch der berufliche Hintergrund dieser beiden Langzeitchefs könnte kaum unterschiedlicher sein. Bacher blieb immer bis ins Mark Journalist. Nach Anfängen in Salzburg war er Chefredakteur dreier Boulevardblätter in Wien. In seiner ersten ORF-Pause beriet er Helmut Kohl zu Medienfragen, im zweiten Intermezzo fungierte er als Herausgeber der "Presse". Er war Vorreiter wie Galionsfigur und Prototyp für Führung durch Inhalt. Von ihm stammt das Diktat vom ORF als größtem Kulturträger und wichtigstem Identitätsstifter des Landes. Jurist Wrabetz hingegen war erst in der Girozentrale, einem Ahnen der Erste Bank, und dann bei der ÖIAG, dem Vorläufer der ÖBAG. Er leitete staatsnahe Betriebe, bevor er als Finanzchef zum ORF wechselte und führt seit 2007 das Unternehmen aus dem Hintergrund. Ein Manager, der den Inhaltsmachern womöglich den Rücken frei hält, ihnen aber zumindest den Vortritt lässt.

Neben diesen beiden Polen hatte der ORF nur Chefs mit je einer Amszeit: den spröden Ministerialbeamten Otto Oberhammer, den sprudelnden Multikreativen Thaddäus Podgorsky, den wirklichen Medienmanager Gerhard Zeiler, den leidenschaftlichen ORF-Pionier Gerhard Weis und die überschätzte Programmacherin Monika Lindner. Die Ahnengalerie gibt keinen Fingerzeig, welche Vorbildung besonders für den Job qualifiziert. Das gleiche gilt für ein Anforderungsprofil nach Aufgabenstellung: Die inhaltlichen, technologischen und wirtschaftlichen Zukunftsherausforderungen sind gleichwertig.

Wahrscheinlich wäre Wrabetz früher – fürs Rundfunkmonopol – der Falsche gewesen und vielleicht Bacher heute – im Multimediawettbewerb – nicht der Richtige. Sicher ist, dass der ORF einen enorm widerständigen Chef benötigt, um die nächsten Jahre ohne Defekt zu überstehen. Diese Wehrhaftigkeit braucht es vor allem gegen Begehrlichkeiten und Inkompetenz der Politik. Doch genau sie bestimmt den ORF-General. Die Überwindung dieses Geburtsfehlers ist seine größte Aufgabe.

Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.