Gewöhnlich pflegen TV-Sender von ihren neuen Produktionen zu schwärmen. Nicht so bei dieser Pressekonferenz: „Es wird katastrophal, das haben Sie alle schon gesehen“, hieß es da. Und: „Wir hoffen inständig, dass Sie nicht darüber berichten werden“, bat Moderator Daniel Boschmann die Medienvertreter.

Des Rätsels Lösung ist das Spielprinzip des neuen Sat.1-Formats, in dem der Titel („Die Gegenteilshow“) Programm ist: Prominent besetzte Zweierteams treten zu acht heiteren Duellen an und müssen mit dem verkehrten Wortsinn umgehen lernen: Aus „viele“ wird „wenige“, „katastrophal“ wird zu „fantastisch“. Im Finalspiel betreten die Kandidaten einen kubusförmigen Raum, der sich um die eigene Achse dreht: Was oben war, ist bald unten und vice versa. „Ich habe sie am Ende betreuen müssen“, erzählt Boschmann schmunzelnd über Promis, die im erbarmungslos rotierenden Zimmer die Orientierung verloren hatten.

Die neue Familienshow sagt einiges über den Zustand von Sat.1 aus: Es geht, gleich an mehreren Fronten, drunter und drüber. Die jüngste Aufregung betrifft Vorwürfe gegen das Sozialdoku-Experiment "Plötzlich arm, plötzlich reich". IkkeHüftgold, Schlagersänger, der mit bürgerlichem Namen Matthias Distel heißt, wirft der Produktionsfirma ImagoTV und Sat.1 vor, mit missbrauchten Kindern Quote zu machen: „Das Kindeswohl von zwei schwer traumatisierten Kindern wurde von den verantwortlichen Medienanstalten mit Füßen getreten", erklärt der 44-Jährige. Der Sender versicherte eine lückenlose Aufklärung. Erst wenige Wochen ist der Eklat um homophobe Äußerungen in der TV-Reihe "Promis unter Palmen"her. Der Sender sah sich genötigt, festzuhalten, dass man Schwulenhass keine Plattform bieten wolle und nahm die Sendung aus der Mediathek.

Die großen Zeiten von Sat.1 sind lange her. Der Weltkugel-Sender ist innovationsarm und glänzt zu selten durch Quotenerfolge. Die jüngsten Entwicklungen, die dazu führen, dass ProSiebenSat.1 künftig von einem gemeinsamen Chef – jenem von ProSieben – geführt wird, ist Symptom eines Abwärtstrends: Vor zehn Jahren lag der Marktanteil in der Altersgruppe ab 3 Jahren bei 10,1 Prozent, im Vorjahr bei 5,7 Prozent – der schwächste Wert seit dem Sat.1-Gründungsjahr 1987. Wobei insbesondere die Entwicklungen der letzten Jahre in Unterföhring für Unbehagen sorgen dürfte: In den letzten fünf Jahren verlor Sat.1 durchschnittlich 0,44 Prozentpunkte Marktanteil pro Jahr.

Erfolge versprechen nur noch Trash-Formate, die selten so erfolgreich wie bei „Promis unter Palmen“ sind, und das Frühstücks-TV – die Trumpfkarte des Privatsenders. Insofern steckt hinter der Nominierung von „Frühstücksfernsehen“-Moderator Boschmann für "Die Gegenteilshow" ein Kalkül: Sat.1 will auch abends wieder so erfolgreich sein wie morgens.