Sie sind bekennender Fan von den alten Rock-Haudegen, aber auch Stammgast bei den Salzburger Festspielen. Ein Gottschalk mag also alles?
THOMAS GOTTSCHALK: Ich habe grundsätzlich den Unterschied von U- und E-Musik nie verstanden. Zwischen der „Eroica“ von Beethoven und einem Gewaltsong von Guns ’N’ Roses liegt nicht allzu viel dazwischen, das ist für mich alles Heavy Metal. So eine große Symphonie ist teilweise für mich ein ähnliches Erlebnis wie ein Rockkonzert. Bei der Klassik machen viele Leute freilich schnell dicht, das ist immer eine Frage, wie man sie verkauft. Ich bin der Meinung: Natürlich kann man einen „Lohengrin“ als Schicksal eines Ritters, der auf einem Schwan daherkommt, unterschiedlich inszenieren. Man könnte es auch als Parabel gegen Atomstrom in Szene setzen. Ich bin da aber eher der Kultur-Banause und sage: Holt doch das raus, was Wagner reingetan hat!

Hätten Sie auch die Funktion des Jurors bei „Die Goldene Note“ übernommen?
Ganz bewusst nicht. Ich bin auch dagegen, Musik quasi wie eine Biologie-Arbeit zu benoten. Wenn ich sage, dass beim Zwölfjährigen der Chopin etwas hölzern daherkommt, war es für mich immer noch Chopin. Also: Das Bewerten oder dieses Auseinanderdividieren von Technik oder Geschmeidigkeit ist doch nur eine Erhöhung der Spannung, wir geben den Kindern das Gefühl, sie spielen um ihr Leben und einen Preis. Das ist ein Teil des Casting-Gedankens, aber gewisse Casting-Elemente sind zu billig, um sie in einem Klassikformat zu missbrauchen. Wir gehen in dieser Show sicher nicht den Weg des Leidens.

Wie etwa bei „Deutschland sucht den Superstar“ alias DSDS?
Es wird hier keine flehenden Kandidaten geben, die in die Kamera rufen: „Wählt bitte die 08“! Wenn einer spielt, soll das nicht für die kranke Großmutter sein, das ist meine Hoffnung beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Der Kandidat soll spielen, weil es ihm Spaß macht – und aus keinem anderen Grund! Und er braucht auch nicht sein Herz ausschütten, wie er unter seiner jugendlichen Akne leidet.


Wie sehen Sie denn die jüngeren Popstars?
Als Beispiel nenne ich Billie Eilish, so faszinierend sie ist. Es ist für mich aber keine junge Frau, die sich auf den Rest ihres Lebens freut. Die komponiert mit ihrem Bruder die Musik unterm Bett, mir fehlt die Fröhlichkeit und Harmlosigkeit in diesem Alter. Da schaue ich als älterer Mensch freilich in den Rückspiegel und schüttle ein bisschen ratlos den Kopf. Ich schreibe den 16-Jährigen von heute deswegen aber keineswegs vor, was gut oder nicht gut ist. Das ist halt jetzt das Gerede eines älteren Herren. Bei Steven Tyler von Aerosmith zucken heute eben weniger Leute als bei Eurem Herrn Garibaldi.

Die berühmte Wettcouch, hier mit den Spice Girls
Die berühmte Wettcouch, hier mit den Spice Girls © AP


Wie laufen die Vorbereitungen für die einmalige Neuauflage von „Wetten, dass . . ?“, die im Spätherbst geplant ist?
Ich halte eine Sendung, wo der Baggerfahrer mit Mundschutz dasitzt und wo ich ohne Publikum moderieren muss, für relativ sinnlos. Wir sollten keine Corona-Ausgabe von „Wetten, dass . .?“ machen, aber ich bin guter Hoffnung, dass wir im November die Rückkehr zum normalen Leben feiern können. Ich jammere sowieso nicht, denn ich habe in der Zeit, in der das Fernsehen größer denn je war, meine beste Zeit gehabt.