Die Diskussion hat schon einen langen Bart und taucht seit Jahren regelmäßig dort auf, wo es um ungustiöse Meinungsäußerungen im Netz geht. Sollen Nutzer ihren echten Namen angeben müssen, um sich in Online-Foren an Debatten beteiligen zu können?

Journalist Christian Burger holt mit dem Buch „Sch(m)utz im Netz“ das Thema aus der Negativspirale. Erschienen ist der 100-seitige Text in der „Streitschriften“-Reihe des Leykam-Verlags – entsprechend wenig überrascht es, dass Burgers Buch ein gegen den Strich gebürstetes Plädoyer geworden ist: Statt den Blick auf den oft zitierten „Hass im Netz“ zu werfen, rückt er das Potenzial des Pseudonyms in den Fokus.

Nicht nur die toxische Enthemmung, auch das positive Äquivalent verdiene unsere Aufmerksamkeit, so die Grundthese Burgers. Die Enthemmung helfe im Netz, Schamgefühle, Ängste und soziale Isolation zu überwinden und offen über Tabuisiertes zu sprechen. Entsprechend sei die Enthemmung per se neutral zu behandeln, und es liege letztlich an den Plattformen, Kommunikationsräume zu schaffen, die einen respektvollen, vielschichtigen und offenen Austausch ermöglichen und eingreifen, wenn die negative Empörung zu Hass wird.

Burger, der das Foren-Management des „Standard“ leitet, stellt mit seinem Buch einen erfrischenden humanistischen Gegenentwurf zum gängigen Diskurs dar und verweigert die einfachen Antworten von Verboten und Regulierungen. Stattdessen plädiert er für das Recht auf die Anonymisierung mittels digitaler Masken und für mehr Wertschätzung für digitale Diskursräume.

Christian Burger. Sch(m)utz im Netz. Leykam, 112 Seiten, 12,50 Euro.