Jüngeren wird man es erklären müssen: Weil Facebook schon lange nicht mehr erste Wahl bei der Zielgruppe ist, mag es für diese unverständlich erscheinen, warum über den Streit zwischen der australischen Regierung und Facebook so viel Aufhebens gemacht wird. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Facebook künftig dafür zahlen muss, Nachrichteninhalte von Medienhäusern zu übernehmen. Die australische Regierung wollte damit den Onlinegiganten zur Kasse bitten und mehr Gerechtigkeit im Umgang mit redaktionellen Inhalten schaffen.

Um seinen Standpunkt klar zu machen, ging Facebook in der Vorwoche "all in" und entfernte in einer Brachialaktion alle australischen Nachrichtenseiten von der Plattform. Spätestens ab diesem Zeitpunkt blickte die Welt gebannt auf die Vorgänge, die sich zum großen Schaukampf aufschaukelten.

Am Ende war der Druck enorm. Noch am Montag hieß es, der Gesetzesvorschlag würde ohne Änderungen dem Senat vorgelegt. Wenige Stunden später kam es doch noch zu einem Kompromiss, der vorsieht, dass sich Facebook mit den Medienhäusern individuell einigen soll. Die ursprünglich vorgesehene Funktion eines Schiedsgerichts wurde zum hypothetischen Notfall: Nur wenn sich Facebook nicht mit (ausreichend vielen) Medienhäusern einigt, entscheidet ein Schiedsgericht. Der entscheidende Punkt wird künftig sein, "ob eine digitale Plattform einen signifikanten Beitrag zur Nachhaltigkeit der australischen Nachrichtenindustrie" leistet.

Auch wenn Nachrichtenproduzenten künftig Geld für Ihre Inhalte auf Facebook erhalten werden: Der Internetgigant hat in Anbetracht der Tatsache, dass ein neues Mediengesetz kommen würde, das bestmögliche Ergebnis erzielt und kann letztlich entscheiden, wie viel Geld er für welche Medienangebote zahlen möchte. Durchaus möglich, dass es Medienhäuser gibt, die bereit sind, ihre Inhalte weiterhin gratis oder zu sehr günstigen Konditionen anzubieten.

Wer ist abhängiger?

Der australische Facebook-Manager WillEaston warf der Regierung vor, die "Realität des Verhältnisses" zwischen den Nachrichtenproduzenten und der Plattform zu ignorieren. Hat er recht und brauchen die Zeitungen, Fernsehstationen, Rundfunksender und Online-Medien die sozialen Medien mehr als umgekehrt?

Als Erklärung lohnt ein Blick auf Österreich: In seinem Strategiepapier bis 2025 kündigt der ORF an, Soziale Medien zu seiner dritten Säule zu machen, was einer massiven Aufwertung gleichkommt. Praktisch kein Medium in Österreich kann es sich leisten, nicht auf den Plattformen vorzukommen. In Australien fielen die Reichweite der Nachrichtenseiten in Folge ihrer Verbannung laut einer Datenanalyse im Schnitt um 13 Prozent.

Aufschluss darüber, wie wichtig Soziale Medien als Nachrichtenquelle sind, gibt der aktuelle Digital News Report: 44,6 Prozent der Österreicher nutzen Soziale Medien als Nachrichtenquelle. Besonders hoch ist der Anteil in der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen. Hier liegt der Anteil bei 68,5 Prozent. Zum Vergleich dazu liegt der Anteil von TV-Programmen in der genannten Altersgruppe nur bei 38,5 Prozent, jener von gedruckten Zeitungen bei 31,1 Prozent. Der Anteil jener, die Facebook als Nachrichtenquelle heranziehen liegt österreichweit bei 30,4 Prozent.

Wichtig daran ist zu bemerken, dass Social Media in den seltensten Fällen die einzige genutzte Nachrichtenquelle darstellt. Down Under soll dieser Anteil bei mageren sechs Prozent liegen. Zugleich öffnet die Abwesenheit seriöser Nachrichten zweifelhaften Alternativen, die gezielt Fake News, Verschwörungsmythen und radikale Ideologien verbreiten, den Weg. Der noch immer unzureichende Umgang mit diesen Schwierigkeiten ist eine andere und vielleicht für Facebook deutlich belastendere Baustelle.

Wer hat gewonnen?

"Wir freuen uns, dass wir eine Einigung mit der australischen Regierung erzielen konnten und schätzen die konstruktiven Gespräche, die wir in der vergangenen Woche mit Schatzkanzler Frydenberg und Minister Fletcher geführt haben", erklärte der für Australien und Neuseeland zuständige Facebook-Manager Easton. Zugleich macht der Konzern klar, in einem neuerlichen Streitfall erneut Nachrichtenseiten verbannen zu wollen.

Der australische Schatzkanzler JoshFrydenberg, der es letztlich schaffte, das Gesetz und den Deal mit Facebook zur realisieren, hat dem Druck standgehalten. Die Einigung werde insbesondere kleineren, lokalen Nachrichtenorganisationen helfen, hofft er. Nicht gesagt, aber mitgemeint: Und nicht nur dem riesigen Mediennetzwerk Rupert Murdochs, das weltweit (Beispiel "Fox News") seine Macht ausspielt.

Wer glaubt in dem Konflikt ginge es um Geld, der irrt. Facebook und Google investierten mittlerweile Milliarden Dollar in ihre News Initiatives, in denen sie selbst entscheiden können, wer für welche Projekte Geld bekommt. Nun wird es ähnlich sein: Mit einem Kraftakt, der den ohnehin schon miserablen Ruf von Facebook weiter verschlechtert hat, hat sich der Konzern die Möglichkeit gesichert, Einzelverträge abschließen zu können. Damit blieb die Macht bei Facebook. Um eine andere Sache ist es dem Internetgiganten nie gegangen.

Lässt sich das Modell übertragen?

Auch wenn viele Länder, darunter Großbritannien und Kanada, ähnliche Mediengesetze ankündigten, ist Australien ein Sonderfall. Die massive Medienkonzentration und der große Einfluss des Murdoch-Imperiums bilden eine Konstellation, die es in Europa nicht gibt. Mit der 2019 in Brüssel beschlossenen und in Österreich noch nicht umgesetzten Urheberrechtsrichtlinie der Europäischen Union geht man einen anderen Weg. Auch darin geht es um die Rechte von Verlagen, Künstlern oder Autoren, wenn ihre Inhalte bei Google oder Facebook auftauchen. Anders als in Australien schaukelt sich der Konflikt aber nicht zum Machtkampf der Giganten auf und man setzt stattdessen auf Inhalte und Differenzierung.