„Kann man eine Schlampe in eine Hausfrau verwandeln? Lasst uns drüber reden“. Zwar übersetzt aus dem Englischen, aber der erste Satz, der mir auf der auf der neuen Plattform Clubhouse begegnet. Es ist der Name von einem der sogenannten Räume im Clubhouse. Rasch draufgeklickt, schreien in dem Raum unzählige aufgeregte Amerikaner durcheinander und diskutieren oben beschriebene Frage. Sollte das die Tonalität dieses Mediums sein, zeige man mir bitte schnell den Abmeldeknopf. Warum der Algorithmus mir mit angegebenen Interessen wie Zeitgeschehen und Psychologie einen solchen Diskussionsraum vorschlägt, wird wohl ein Rätsel bleiben.

Das Prinzip der neuen App, die es zwar schon seit Frühjahr 2020 gibt, die aber erst jetzt größeren Anklang in Österreich gefunden hat, ist einfach. Man muss von jemandem, den man kennt eingeladen werden, dann braucht man noch ein iPhone und schon ist man drin in einem vermeintlich elitären Club, der von vorherein schonmal jene ausschließt, ein anderes Handy haben.

In der App finden sich Räume, in denen verschiedene Themen diskutiert werden. Von Flüchtlingspolitik über Marketingstrategien, bis hin zum „Pausentalk“ für Bauer sucht Frau, ist alles mit dabei. Sehen kann man nur die Profilfotos und Spitznamen der Teilnehmer, die im Raum sprechen und zuhören, sowie wer sein Mikro stumm geschaltet hat und wer gerade spricht. Eine Klarnamenpflicht gibt es nicht. Wer genau dort in den Räumen diskutiert, ist also bisweilen unklar. Viele User treten jedoch mit professionellem Foto und Namen auf. 

Man kann sich das Ganze vorstellen wie virtuelle Podiumsdiskussionen. Mehrere Redner diskutieren und der Rest hört zu. Wenn man etwas zu sagen hat, kann man sich melden und wird vom virtuellen Moderator mit Glück auf die Bühne geholt.

Inklusion scheint sich mit dem exklusiven Konzept des Clubs zu beißen. Gehörlosen beispielsweise ist der Zugang zur Plattform gänzlich unmöglich. Es gibt keinerlei Übersetzungsmöglichkeiten. Sarah Radojicic vom Steirischen Landesverband der Gehörlosenvereine wünscht sich, dass solche Barrieren bei neuen Plattformen in Zukunft beachtet werden.

Bezahlt wird der Eintritt zum Club nicht mit Geld, sondern mit Daten. Um beitreten zu können, muss man den Zugriff auf all seine Kontakte erlauben. Datenschützer weisen darauf hin, dass Clubhouse problematisch ist und der Ansturm auf die Anwendung in Zeiten des Massenexodus von Whatsapp wegen Datenschutzbedenken einer gewissen Ironie nicht entbehrt. Über die Illusion von Sicherheit und Intimität stolperte kürzlich auch der thüringische Ministerpräsident Ramelow, dessen abfällige Bemerkung über Merkel prompt veröffentlicht wurde. Zwar besagen die Nutzungsbedingungen, dass keine Gespräche mitgeschnitten werden dürfen, in der Praxis kann sich aber bei öffentlichen Personen im Zweifel immer auf das öffentliche Interesse berufen werden. Zudem gibt es kaum Kontrollmechanismen.

Elke Höfler von der Grazer Universität ist Mediendidaktin und war unter den ersten Österreicherinnen auf der Plattform. Sie findet für sich spannende fachliche Diskussionen im Clubhouse, die sie meist auf dem Ergometer verfolgt. Dass die App mittlerweile auch in der Steiermark angekommen ist zeigt, dass es sogar bereits eine Gruppe gibt, in der steirischer Dialekt diskutiert wird. Auch hier ist Höfler Mitglied. „Ich habe gedacht ich probiere das mal aus, aber den absoluten Mehrwert des Ganzen habe ich noch nicht entdeckt“, sagt Höfler im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.

Sie beschreibt zwei Seiten der neuen Applikation: „Es ist schon super, dass man bei den Diskussionen mitsprechen kann. Im Zweifel bin ich dann mit Armin Wolf auf einem Podium und kann mit ihm diskutieren.“ Auch der österreichische Migrationsexperte Gerald Knaus und andere größere Namen diskutierten schon im Clubhouse. Auch machte sie kürzlich die Erfahrung, dass bei einer Debatte zum Thema Schule und Corona plötzlich Schüler, Lehrer und Schulleiter miteinander ins Gespräch kamen. Auf der anderen Seite gilt auch hier: Wer am lautesten ist, wird am ehesten gehört und das sind in der Tendenz doch eher oft Männer. „Die Gruppen und Podien sind schon recht männlich dominiert. Das ist aber ein generelles Problem im Bildungsbereich, Frauen sind selten die, die ihre Kompetenz am lautesten in den Vordergrund stellen.“ Offen sexistische oder rassistische Kommentare seien ihr persönlich noch nicht untergekommen, sagt sie. „Man ist auch hier sehr in seiner eigenen Bubble, es würde mich aber nicht überraschen, wenn die Plattform extreme Gruppierungen anziehen würde, schon bei geschriebenen Kommentaren ist die Hemmschwelle mittlerweile gering, bei gesprochenem Wort ist sie vielleicht noch niedriger.“ Die Diskussionen als Betreiber zu regulieren ist kaum möglich, da zur gleichen Zeit so viele Veranstaltungen stattfinden, gute Konzepte gegen Hate Speech und Fake News sind keine bekannt.

Höfler wagt keine Prognose, ob Clubhouse gekommen ist, um zu bleiben. „Neue Medien haben oft einen besonderen Reiz, der nutzt sich aber ab.“ Für sie müsste sich aber auf der Plattform einiges ändern, um wirklich attraktiv zu sein. Besserer Datenschutz sei da nur ein Aspekt.