Mit Abbestellungskampagnen, Inseratenboykotten oder der Streichung der Presseförderung war die Kleine Zeitung in Kärnten vor allem in der zweiten Landeshauptmannära Jörg Haiders (1999–2008) konfrontiert. Nicht zuletzt wegen Antonia Gössinger, die als Politikjournalistin die Machenschaften der FPÖ- und später BZÖ-Regierungsmannschaft kritisierte und aufdeckte, was ihr persönliche Attacken und Schmähungen Jörg Haiders und seiner Entourage einbrachte. Im STANDARD-Interview lässt Gössinger, die seit 2015 als Chefredakteurin der Tageszeitung des Styria Medienkonzerns amtiert und mit Jahresende 2020 in Pension geht, die Haider-Jahre Revue passieren. Sie erkennt viele Parallelen zum jetzigen Bundeskanzler Sebastian Kurz.

STANDARD: Wenn Sie Ende Dezember als Chefredakteurin aufhören, gibt es in der österreichischen Tageszeitungslandschaft mit Martina Salomon vom "Kurier" nur noch eine Frau an der Redaktionsspitze. Warum sind es so wenige?
Gössinger: Leider existiert diese gläserne Decke tatsächlich. Journalismus ist zwar ein extrem weiblicher Beruf geworden, bei uns arbeiten mehr Frauen als Männer in der Redaktion, aber die Führungsebenen werden noch immer unter Männern ausgemacht. Ich war zeit meines Lebens eine Verfechterin der Quoten – und zwar auf jeder Ebene.

STANDARD: Auch im Journalismus?
Gössinger: Absolut. Für Führungsfunktionen muss es eine Quote geben, auf welcher Ebene auch immer. Natürlich kann man private Unternehmen nicht dazu verpflichten, es sollte eine Selbstverpflichtung sein. Die Beispiele der skandinavischen Länder zeigen, dass Unternehmen erfolgreicher sind, wenn es gemischte Führungsteams gibt. Das lässt sich auf jede Firma und Branche herunterbrechen.

STANDARD: Ist das eine indirekte Kritik an der Styria und der "Kleinen Zeitung", denn Ihr Nachfolger ist mit Wolfgang Fercher ein Mann?
Gössinger: Nein, meine Nachfolgeregelung heiße ich ausgesprochen gut. Es ist wichtig, dass es eine Kärntner Lösung ist. Man muss das Land und die Leute kennen und mögen. Chefredaktionen sind ja ein größeres Gremium. Wir haben innerhalb der Styria etwa bei der "Furche" und der "Wienerin" eine Chefredakteurin oder hatten eine beim "Wirtschaftsblatt". Die Styria ist sehr aufgeschlossen. Ich wurde ja 2015 zur Nachfolgerin einer Frau, da uns Eva Weissenberger verlassen hatte (zu "News", Anm.).

Antonia Goessinger und ihr Nachfolger Wolfgang Fercher
Antonia Goessinger und ihr Nachfolger Wolfgang Fercher © Kleine Zeitung

STANDARD: Die Styria ist ja katholisch dominiert. Haben es da Frauen schwieriger, Führungspositionen zu übernehmen?
Gössinger: Überhaupt nicht. Wir haben zwar das christliche Fundament mit der Herausgeberschaft über den katholischen Pressverein, der die Styria und die "Kleine Zeitung" gegründet hat, aber im operativen Geschäft hat die Kirche keine Einflussmöglichkeit. Gerade wir als "Kleine Zeitung" waren das kritischste Medium in Sachen Kirchenberichterstattung. Denken Sie an den Kärntner Bischof Schwarz, wo wir über zehn Jahre hindurch aufgezeigt haben, welche Fehlentwicklungen es hier gibt. Oder in früheren Jahrzehnten bei Kurt Krenn oder Hans Hermann Groër.

STANDARD: Apropos christliches Fundament: Kürzlich haben Sie in einem Kommentar die ÖVP kritisiert, die einerseits die Aufnahme von Flüchtlingen aus Lesbos ablehnt, andererseits eine umstrittene Gebetsfeier im Parlament veranstaltet.
Gössinger: Ich finde die Position von Kanzler Kurz gegenüber dem Flüchtlingslager und in der Flüchtlingsfrage insgesamt unerträglich. Dass hier nur Kaltschnäuzigkeit und Hartherzigkeit regiert und dass man das so abschmettert. Hier fehlt mir jede Empathie. Was sich dort abspielt, ist unmenschlich. Dass eine früher christlich-soziale Partei einfach zuschaut und sagt, wir wollen nicht einmal 30 Kinder in Österreich aufnehmen, das ist für mich so unerträglich. Das raubt mir den Schlaf, wenn ich mir vorstelle: Wie kann man so sein?

STANDARD: Wie ist das erklärbar?
Gössinger: Das Menschenrecht auf Menschenwürde versinkt dort im Schlamm und ganz Europa schaut zu. Ich möchte auch uns Journalisten kritisieren, denn wir sehen immer nur punktuell hin. Das spielt sich ja schon lange ab. Europa hat Italien, Spanien oder Griechenland im Stich gelassen. Dafür haben wir die Balkanroute geschlossen, und damit hat es sich. Das ist im Jahr 2020 unerträglich, gerade auch, wenn sich junge Politiker hinstellen und sagen: Nein, es kommt kein einziges Kind nach Österreich. Das ist nur noch unchristlich, unmenschlich und zynisch.

STANDARD: Was halten Sie von Sebastian Kurz?
Gössinger: Als er Kanzler geworden ist, hatte ich ein tägliches Déjà-vu. Kurz erinnert mich so an Jörg Haider. Er arbeitet mit den gleichen Instrumenten. Kurz hat den Vorteil der sozialen Netzwerke, den hatte Haider damals nicht, aber diese Buberlpartie, die Kurz umgibt, die hatte Haider auch. Mit dem Unterschied, dass die jetzige Buberlpartie slim-fit-geschmeidig ist. Bei Haider war sie kantiger und origineller. Aber dieses Freund-Feind-Schema ist gleich.

STANDARD: Bei Haider war es auch so?
Gössinger: Entweder man war bedingungsloser Anhänger, sonst war man ein Gegner. Es gab kein neutrales Verhältnis. Das hat Kurz gegenüber uns Journalisten und Medien auch nicht: dass er uns als das wahrnimmt, was wir sind, nämlich die vierte Gewalt in dem Staat, die eine kontrollierende Aufgabe hat. Das behagt ihm überhaupt nicht. In Wien, das wissen Sie ja noch besser, wie da die Kreise gezogen werden: Wer wird etwa zum Hintergrundgespräch eingeladen und wer nicht? Das heißt aber nur so, weil ich mir meine Gesprächspartner aussuche und den anderen Journalisten aus dem Weg gehe. Diese Instrumentarien, diese Marketingmaschinerie erinnert mich so an Jörg Haider. Der hatte damals mit dem blauen Schal gewachelt, Kurz hat alles türkis gefärbt. Es gibt so viele Parallelen zwischen Kurz und Haider.

STANDARD: Und Unterschiede auch?
Gössinger: Jörg Haider hatte eine extreme soziale Ader. Er war ein empathischer Mensch mit einem Herz für die kleinen Leute. Das war ein Paradoxon, weil er mit den Spesen der Partei selbst wie ein Krösus gelebt hat. Empathie oder soziales Mitgefühl fehlen Kurz völlig.

STANDARD: Weil Sie sagen, dass Kurz unabhängige Medien ein Dorn im Auge sind. Wie oft waren Sie mit politischer Einflussnahme konfrontiert und wie oft hat sie Gerald Fleischmann, Kanzlerbeauftragter für Medien, angerufen?
Gössinger: Überhaupt nicht. Ich bin zum Beispiel kein einziges Mal in die Runde der Chefredakteure eingeladen worden, die Kurz veranstaltet. Im vergangenen Jahr haben wir Bundesländerzeitungen vor der Wahl gemeinsam mit der "Presse" eine Elefantenrunde aus Salzburg gemacht. Ich habe diese Runde mit Manfred Perterer von den "Salzburger Nachrichten" moderiert. Als das Herr Fleischmann erfahren hat, hat er konsterniert gefragt: Warum die Gössinger? Nach der Veranstaltung haben mich ein paar Menschen aus dem Publikum gefragt, was der Kanzler gegen mich hat. Das Publikum hat gespürt, dass eine Aggression oder Aversion im Spiel war, vielleicht weil ich kritisch zu Flüchtlingen oder Entwicklungspolitik gefragt habe. Das macht ihn auch mit Haider vergleichbar, gerade in Bezug auf Frauen. Entweder man ist eine Anhängerin und bedingungslose Gefolgsfrau, oder man ist suspekt. So sehe ich das bei Sebastian Kurz auch.

STANDARD: Kurz hat die Stadthalle türkis gefärbt und sich von tausenden Anhängern feiern lassen. Inszenierungen wie Haider damals?
Gössinger: Das hatten wir auch bei Haider in der Klagenfurter Messehalle. Wir haben die Polizei gefragt, wie viele Leute dort waren. Die haben gesagt, es waren 4.000, während die Freiheitlichen 10.000 gezählt haben. Dann waren wir die Bösen, weil wir nicht die Marketingmaschinerie Jörg Haiders, die uns damals Gernot Rumpold serviert hat, übernommen haben. Es sind politisch legitime Instrumente, unsere Aufgabe als Journalisten ist es, das so zu benennen, was es ist: Marketing und vielfach auch Ablenkung von Problemen. Deswegen hadere ich mitunter sehr mit unserem Berufsstand, weil wir zu wenig hartnäckig sind.

STANDARD: Gehen viele Medien der Inszenierung zu sehr auf den Leim?
Gössinger: Ja, aber das ist natürlich auch ein Strukturproblem. Wenn ich in jedem Ministerium eine Marketingmaschinerie sitzen habe, oder wenn ich eine Social-Media-Abteilung des Bundeskanzleramtes habe, die größer ist als jede Redaktion, dann was tun?! Das ist eine Waffenungleichheit und bringt uns zu der Frage, was Politikern wichtig ist: der Verkauf ihrer Politik und nicht das, was sie machen. Ich verfolge zum Beispiel Twitter sehr intensiv, obwohl ich seit Jahren keinen Tweet mehr abgesetzt habe. Die Kollegenschaft in Wien läuft Gefahr, in einer Blase zu sein, und nimmt oft gar nicht mehr wahr, was rundherum stattfindet. Wir sind in den Bundesländern geerdeter.

STANDARD: Ihre Beziehung zu Jörg Haider war ja sehr intensiv. Er hat Sie einmal als Ihre Lieblingsfeindin bezeichnet. Es gab Klagen und persönliche Diffamierungen. War das Ihre härteste Zeit als Journalistin?
Gössinger: Wir hatten ein sehr ambivalentes Verhältnis. Meine Mutter hat einmal gesagt: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Wenn Haider mit mir zufrieden war, hat er mich privat auch in der Nacht noch angerufen. Wenn er böse war, habe ich Frau Gössinger und nicht Antonia geheißen, und er hat wochenlang nicht mit mir gesprochen. Ich habe ihn seit 1976 gekannt, als er nach Kärnten gekommen ist. Ich war damals Funktionärin der Jungen ÖVP und er Landessparteisekretär der Freiheitlichen. Als ich als Journalistin begonnen habe, haben wir von ihm gelebt. In Kärnten gab es eine absolute SPÖ-Mehrheit, da hat man nichts erfahren. Plötzlich hat es keine Verschlussakten mehr gegeben, und man ist zu Informationen gekommen.

STANDARD: Und dann?
Gössinger: Seine erste Landeshauptmannzeit von 1989 bis 1991 hat in Kärnten eine Aufbruchsstimmung erzeugt, bis er über seinen Ausspruch gestolpert ist (von der ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich, Anm.). Von 1992 bis 1999 war er in Wien ein Top-Oppositionspolitiker. Allerdings hat er dann das Ausländerthema aufs Tapet gebracht. Das war für mich der geistige Bruch mit ihm. Sein Ausländervolksbegehren von 1992 war ein Instrument, das sich nur gegen Menschen gerichtet hat. Dann habe ich mir gedacht: Okay, Hans Rauscher oder Anneliese Roher und alle anderen, die ihn so dämonisieren, haben wahrscheinlich recht.

STANDARD: Die zweite Kärnten-Ära Haiders ging von 1999 bis zu seinem Tod im Jahr 2008 und war für Sie von Auseinandersetzungen mit ihm geprägt.
Gössinger: Für Haider hat es in seiner zweiten Landeshauptmannamtszeit keine Grenzen mehr gegeben. Er hat versucht, sich das Land untertan zu machen. Da war es wichtig, dass wir als kritische Politikredaktion – Andrea Bergmann und ich – unseren Job machen: aufzeigen, was sich falsch entwickelt. Wir hatten so vieles, was nach dem Tod Haiders aufgebrochen ist, und vor Gericht gelandet ist, aufgezeigt. Es hat nur niemanden interessiert. Ihm ist es gelungen, uns und vor allem mich zum Feindbild zu stempeln. Persönlich hat mir das wenig anhaben können, denn ich hatte den Rückhalt des Chefredakteurs Reinhold Dottolo und der Styria. Es hat unsere Unabhängigkeit unterstrichen, auch wenn wir einen wirtschaftlichen Schaden hatten.

STANDARD: Durch den Wegfall von Inseraten?
Gössinger: In diesen Jahren sind uns hunderttausende Euro entgangen. Haider hat einen Inseratenboykott über uns verhängt. Nicht nur von der Partei her, sondern auch von der Landesregierung. Die ÖVP hat sich dem sofort angeschlossen. Es gab Abo-Abbestellungskampagnen, und sie haben versucht, uns wirtschaftlich massiv zu schaden. Die Presseförderung wurde gestrichen, weil wir unbotmäßig waren. Man hatte versucht, meine Kollegin Andrea Bergmann und mich persönlich zu diskreditieren. Haider hat uns die "Hexenküche Kärntens" genannt. Persönlich hatte ich aber kein Problem damit.

STANDARD: Wie weit sind die persönlichen Angriffe gegangen?
Gössinger: Ich habe alles erlebt. Bei einem Parteitag in den 1990er-Jahren bin ich von einem FPÖ-Anhänger körperlich attackiert worden. Jörg Haider hat unten auf der Bühne über mich, die "Kleine Zeitung" und die Medien geschimpft, und oben auf der Galerie hat mich ein älterer Mann geboxt. Ich bin aufgestanden, zur Polizei gerannt, der Mann ist verschwunden und natürlich hat ihn von den ganzen Freiheitlichen, die herumgesessen sind, niemand gekannt. Nach der Veranstaltung sind Haider und ich gemeinsam bei der Türe rausgegangen, und er hat gesagt: "Gemma was trinken." (lacht). Das kann man alles nicht erfinden.

STANDARD: Stefan Petzner hatte in dem Getriebe ja auch eine besondere Rolle.
Gössinger: Stefan Petzner hat einmal eine Aussendung gemacht, nachdem ich den Kurt-Vorhofer-Preis bekommen habe, dass ich eine "tragische Figur des österreichischen Journalismus" sei, der Uwe Scheuch hat mich bei Wahlveranstaltungen sexistisch herabgewürdigt. Anders sind sie mir nicht beigekommen, aber zum Glück habe ich ein gutes Nervenkostüm. Und natürlich: So geht man nur mit einer Frau um, einem Redakteur wäre das nicht passiert. Mehr wehgetan haben diese persönlichen Attacken meiner Familie. Meine Mutter hat Haider gewählt und geliebt, und mein Bruder war ein glühender Anhänger Haiders und als freiheitlicher Funktionär Vizebürgermeister in unserer Gemeinde.

STANDARD: Haider ist ja von vielen glühend verehrt worden, die "Kleine Zeitung" hat in puncto Reichweite eine große Dominanz in Kärnten. Wie haben die Leser reagiert?
Gössinger: Es war eine Gratwanderung. Haider hatte nie eine absolute Mehrheit in Kärnten, das beste Wahlergebnis hatte nach Haiders Tod Gerhard Dörfler im Jahr 2009 mit 44 Prozent. Natürlich mussten wir davon ausgehen, dass die freiheitlichen Wähler auch Leser der "Kleinen Zeitung" sind, und da gab es viele Reaktionen. Deswegen wollte Haider uns zum Feindbild und zur Opposition stempeln. Wirtschaftlich ja, aber auf der Abonnentenseite hat uns das nicht geschadet. Die FPÖ hat zwei Abbestellungskampagnen inszeniert. Die erste war in den 1990er-Jahren, die hatte Kurt Scheuch initiiert. Damals gab es 200 Abo-Kündigungen. Zehn Jahre später hatten sie es wieder versucht, und es gab nur vier Abo-Abbestellungen.

STANDARD: Für die damaligen Parteifreunde Haiders – von Gerhard Dörfler, den Scheuch-Brüdern bis zu Stefan Petzner und Harald Dobernig – gab es im Zuge der Aufarbeitung der Haider-Ära reihenweise Verurteilungen. Erfüllt Sie das heute mit Genugtuung?
Gössinger: Genugtuung ist das keine. Ein Journalist hat nur ein Rüstzeug, das ist seine Glaubwürdigkeit, die kann man für nichts und niemanden aufs Spiel setzen. Mir war es immer wichtig, die Hintergründe von politischen Entscheidungen aufzuzeigen. Als die Freiheitlichen so maßlos und unverschämt regiert haben, war es meine Mission, dass die Kärntner nie sagen können sollen: Sie hätten nicht gewusst, was passiert. Wir haben über alles geschrieben, es hat nur niemanden interessiert, oder man hat es als Feindseligkeit abgetan. Genugtuung war, dass in den letzten Jahren nicht wenige Menschen auf mich zugekommen sind und gesagt haben: Frau Gössinger, wir waren auch immer der Meinung, Sie haben nur einen Hass auf Jörg Haider und die Freiheitlichen, aber Sie hatten doch recht.

STANDARD: Viele waren Haider treu ergeben.
Gössinger: Weil Sie Harald Dobernig erwähnt haben. Das sind auch tragische Entwicklungen. Bei den Prozessen war ich von der ersten bis zur letzten Minute im Gerichtssaal. Eine gewisse Genugtuung war aber, als Uwe Scheuch mehrmals vor Gericht gesessen ist. Ich habe mich so hingesetzt, dass er mich immer anschauen musste (lacht). Aber ein Harald Dobernig hat damals bei einer Zeugenaussage gesagt, dass er bis zu seinem 40. Lebensjahr wieder ein normales Leben führen möchte. Vermutlich wird er das nie mehr machen können. Der war so jung, ist verheizt worden, hat einen Hype erlebt, und ist jetzt nahezu eine gescheiterte Existenz. Das kann einem keine Genugtuung bereiten. Wichtig war, dass sie alle vor Gericht gelandet sind. Die Urteile unserer Richter waren einzigartig, und wenn ich an den Ex-Hypo-Direktor Wolfgang Kulterer denke: Der kommt seit zehn Jahren nicht mehr aus dem Gerichtssaal heraus. Oder Ex-ÖVP-Obmann Josef Martinz. Da muss man sich fragen: War es das alles wert, nur damit man im Windschatten des Sonnenkönigs mitsegelt?

STANDARD: Und bei den Scheuchs und Stefan Petzner war es anders gelagert als bei Dobernig?
Gössinger: Der Petzner ist ja auch viel zu jung in diese Position gekommen. Er ist von Haider in die Position des Sprechers des Kärntner Landeshauptmanns gehievt worden. Ohne Erfahrung, ohne dass ihn jemand geleitet hätte. Ich habe einmal zu Haider gesagt: So viel Mist, wie aus dem Landeshauptmannbüro kommt, gibt es auf der ganzen Welt nicht. Wie kannst du so etwas verantworten? Was der Petzner als Sprecher abgesondert hat, war ... Na ja. Und die beiden Scheuchs sind halt Mensch gewordene Dreschflegel. Die haben nicht zur Buberlpartie gepasst, das sind wirkliche Herrenbauern im negativen Sinne.

STANDARD: Sie sind damals gegen eine Presseaussendung Stefan Petzners gerichtlich vorgegangen, haben aber vor dem Obersten Gerichtshof verloren. Nagt das heute noch an Ihnen?
Gössinger: Nein, das nagt überhaupt nicht. Das ist ein Dokument der Zeitgeschichte, wie Politiker mit Journalisten umgehen. Das war Rufschädigung, Kreditschädigung, Ehrenbeleidigung, und was es nur gibt. Ich habe mit der Justiz gehadert. In Kärnten haben wir eine einstweilige Verfügung erwirkt, vor dem Oberlandesgericht Graz aber verloren. Ich will das nicht auf die Burschenschafter zurückführen, der Verdacht ist aber nahegelegen. Die Argumentation war: Wenn man sich als Journalistin auf das politische Parkett begibt, muss man mehr aushalten als der gewöhnliche Mensch. Was mich getröstet hat: Wenige Monate später hat Jörg Haider geklagt, weil er als gescheiterter Politiker mit veritablen psychischen Problemen bezeichnet wurde. Haider hat auch nicht recht bekommen, und es hat geheißen: Das muss er sich gefallen lassen.

STANDARD: Hatten Sie danach noch mit Stefan Petzner noch Kontakt?
Gössinger: Immer wieder. Vermutlich bin ich die Mutter Teresa des Journalismus (lacht), aber er war ja auch arm. Nach dem Tod Jörg Haiders wurde er zum Parteichef gemacht, und sie haben es zugelassen, wie er sich produziert und blamiert. Das war furchtbar. Er war jung und dumm. Niemand hat ihn zurückgehalten. In meiner Anfangsphase als Journalistin habe ich auch öfter über das Ziel geschossen, ich hatte aber ein Korrektiv. Stefan Petzer hatte das nicht. Haider hat es gefallen, wenn er in Presseaussendungen so einen Mist abgesondert hat.

STANDARD: Zu seinen Slogans wie "Kärnten wird tschetschenenfrei" steht er wohl heute noch.
Gössinger: Ja. Oder der Gerhard Dörfler. Er hadert heute noch damit und sagt, dass sie die Wahl 2013 nur wegen der "Kleinen Zeitung" verloren haben. Dass die 13 Mal aus dem Landtag ausgezogen sind und sich wie die Verrückten aufgeführt haben, das ist in einem Wattebausch verschwunden. Oder Sie kennen das eh vom Gerhard Dörfler, als die Staatsanwaltschaft Klagenfurt damals eine mögliche Anklage wegen des Ortstafelverrückens zurückgezogen hat mit der Begründung: Er habe die Tragweite seines Handelns nicht erkennen können. Wenn so etwas über dich dokumentiert in einem Geschichtsbuch steht, dann weiß ich auch nicht.

STANDARD: Apropos Ortstafeln: Es war ja über Jahrzehnte ein Dauerthema, das Sie als Journalistin beschäftigt hat. Wie groß war die Erleichterung, als die Einigung erzielt wurde?
Gössinger: Sehr groß. Ich nehme aber für die "Kleine Zeitung" in Anspruch, dass wir maßgeblich daran beteiligt waren. Nicht ich als Person, sondern meine Kollegin Andrea Bergmann. Sie hat von den 90er-Jahren aufwärts diese Thematik begleitet. Wir wollten eine Lösung und Versöhnung. Diese Konsensgruppe war ein kluger Schachzug von Wolfgang Schüssel. Aber ohne uns wäre das nicht möglich gewesen. Wir haben zum Beispiel in den 2000er-Jahren angefangen, die Beilage zum Bleiburger Wiesenmarkt zweisprachig zu machen. Zuerst gab es Proteste, wir haben aber daran festgehalten. Das waren kleine Schritte, oder wir haben an einem 10. Oktober die Seite 1 zweisprachig gemacht. Da gab es zwar viele Beschwerden, es hat aber sicher sehr viel zur Verbesserung des Klimas beigetragen. Der heurige 10. Oktober war ein wunderbarerer Abschluss für meine journalistische Laufbahn. Der slowenische Staatspräsident ist gekommen und hat mit Kärnten gefeiert.

STANDARD: Ihr journalistisches Credo lautet Distanz: Gehört es dazu, dass man nicht per Du ist?
Gössinger: Distanz ist das Um und Auf. Man muss seine Rollen kennen und wissen, dass man als Journalistin nur eine geliehene Macht hat. Ich bin nur der Leserschaft verpflichtet. Ich habe den Vorteil des Alters und bin mit niemandem mehr per Du. In der Politik war ich es nur mit Gaby Schaunig (Landeshauptmann-Stellvertreterin, SPÖ, Anm.). Das ist entstanden, als sie zwischendurch aus der Politik ausgeschieden ist. Ich bin auch mit Landeshauptmann Peter Kaiser per Sie. Das rate ich auch den jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an. In der Haider-Zeit war jeder mit jedem per Du.

STANDARD: Sie waren es auch mit ihm?
Gössinger: Ja, vom ersten Tag an. Ich war auch der Claudia Haider lange Zeit freundschaftlich verbunden. Sie hat immer gesagt: Weißt eh, die Männer. Wir haben aber seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr. Nach dem Aufbrechen der ganzen Hypo-Kiste hat sie mich einmal angerufen und gesagt: Du, Antonia, der Jörg Haider ist seit vielen Jahren tot, könnt ihr ihn nicht endlich ruhen lassen. Dann habe ich gesagt: Das geht nicht, solange er ein Bestandteil der Gerichtsverfahren ist, wenn das Land Kärnten bis ins Jahr 2030 die Schulden zahlt und sein Desaster finanziell bereinigen muss, dann können wir ihn nicht ruhen lassen. Seitdem haben wir keinen Kontakt mehr.