Geschätzte Leserin, geschätzter Leser!
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„Sollte Herr Gärtner das tödliche Medikament bekommen?“ 70,8 Prozent der ARD-Zuseher, die sich an einer Online- und Telefonabstimmung beteiligten, verwarfen das Leben und stimmten mit  Ja. Dieses hohe Votum verstört. Schon allein Umstände des verlangten Suizides schildern uns hier einen Fall, in welchem es nicht um erlösenden Ausweg aus menschenunwürdigem Leiden geht. Herr Gärtner ist 78 Jahre alt und gesund, bloß will der pensionierte Architekt seit dem quälenden Tod seiner Frau vor drei Jahren an einem Gehirntumor nicht mehr leben. Die Herausgabe eines tödlichen Medikaments wird ihm verweigert, seine Hausärztin lehnt eine Verabreichung für seinen Selbstmord ab, nun bringt Gärtner seinen Wunsch nach aktiver Beihilfe zum Suizid vor den deutschen Ethikrat.

Der Rechtsanwalt und Schriftsteller Ferdinand von Schirach hat uns hier mit dem Fernsehspiel „Gott“ (das der ORF unter Terror-Hinweis verschoben hatte)  vielmehr einen Fall vorgelegt, bei dem es grundsätzlich um die ethische Abwägung zwischen persönlicher Freiheit und Schutz des Lebens geht: „Wem gehört das Sterben?“, wie der Anwalt Gärtners das Recht auf aktive Sterbehilfe einfordert, das der deutsche Bundesverfassungsgerichtshof bereits eingeräumt hat und über das die Verfassungsrichter in Österreich gerade befinden. Hingegen weisen die „Sachverständigen“ vielmehr andere Wege wie „ Trost, Beistand und Liebe“ (der Bischof) oder „viel mehr Palliativmedizin“ (der Ärztekammerchef). Die Vertreterin des Ethikrates zieht mit Hinweis auf die Euthanasie-Gräueltaten der Nazizeit eine klare Linie und plädiert für die Hilfe zum Leben, nicht zum Sterben: „Ohne Solidarität verlieren wir das, was uns ausmacht: Menschlichkeit.“

Ob sich unsereVerfassungsrichter zu einer solchen Gemeinschaftshaltung unserer Gesellschaft bekennen und ein staatlich manifestierter Wille über der Freiheit des Einzelnen steht, wenn es um aktive Sterbehilfe geht, ist nicht einerlei. Denn hier wird nicht bloß über ein erwünschtes verkürztes Leiden verhandelt, sondern das Leben an sich. Sind wir Gott?

So spannend Schirachs verfilmtes Theaterstück alle rechtlichen, medizinischen und statistischen Fragen in den düsteren Schluchten am Rande des Sterbens zwischen Beihilfe zum Suizid, aktiver, passiver sowie indirekter Sterbehilfe ausleuchtet, so untauglich ist es, von einem TV-Event ohne eingehende Einbeziehung des gesamten persönlichen Wesens und Umfeldes des Betroffenen eine valide ethische Verantwortung per Mausklick oder Handytaste über vorzeitiges Sterben zu erwarten.

Die Mahnungen über verschobene gesellschaftliche Grenzen und wachsenden Druck auf ältere Menschen, sich nicht mehr gelitten zu fühlen, könnten nicht sorgenvoller sein angesichts der gerade stattfindenden Ausgrenzung und Einschließung der älteren Generation durch die Corona-Bedrohung. Allein dieser unerträgliche Umstand gebietet es, dass eine logistische Maßnahme wie die geplante Massentestung von der Bundesregierung nicht holprig sondern ordentlich auf die Beine gestellt wird und zwar in enger Zusammenarbeit mit allen Bundesländern. Dafür muss sich die Regierung – da zitiert Kollege Georg Renner im Leitartikel Gesundheitsminister Rudolf Anschober nur zu treffend – „zusammenreißen“! Welches Chaos muss man sonst erwarten, wenn es einmal um die komplexere Verteilung eines Impfstoffes geht?

Achten Sie weiter auf Ihre Gesundheit
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Adolf Winkler