Schon einmal war eine Vorlage (Theaterstück) von Ferdinand von Schirach Basis für ein interessantes und erfolgreiches TV-Ereignis. In „Terror“ ging es um die Frage, was den Menschen im entscheidenden Moment wichtiger ist: Freiheit oder Sicherheit. Dem folgt nun ein weiteres Schirach-Event. In „Gott“ wird die Frage aufgeworfen: Wem gehört unser Leben? Gott, dem Staat, der Familie, den Freunden – oder einem selbst?

Zentralfigur in „Gott“ (am 23. November im Ersten und im SRF) ist der 78-jährige Richard Gärtner, ein kerngesunder Mann, der aber seit dem qualvollen Tod seiner Frau (Gehirntumor) im Leben keinen Sinn mehr sieht. Er bittet seine Ärztin, ihm Sterbehilfe zu leisten, mittels Natrium-Pentobarbital. Sie lehnt ab. Der Fall kommt vor den deutschen Ethikrat. Und am Ende wird, wie bei „Terror“, auch das TV-Publikum um seine Meinung gefragt. Es kommt zur Abstimmung. Die Rolle des Herrn Gärtner verkörpert einer der markantesten deutschsprachigen Schauspieler, Matthias Habich.

Was war Ihre erste Reaktion auf dieses Angebot, Herr Habich?
Matthias Habich: Ich dachte, dies sei ein Offert, das man nicht unbedingt ablehnen sollte. Zumal auch tolle Kollegen mitwirken. Und inhaltlich fand ich die ganzen Argumente, die da auftauchten, hochinteressant. Also habe ich zugesagt.

Ihre Figur, der Architekt Richard Gärtner, ist ein Mann, der der Vorsitzenden des Ethikrates erklärt, dass er „bis auf ein paar Alterszipperlein“ ziemlich gesund ist. Aber: Er sei nach 42jähriger Ehe mit seiner Frau und deren Krebstod vor drei Jahren so weit, dass auch er selbst nicht mehr weiterleben möchte. Haben Sie selbst je einen Menschen kennen gelernt, der mit ärztlicher Hilfe Suizid begehen wollte?
Habich: Ja, er war Dramaturg am Zürcher Schauspielhaus. Er litt an schwerem Knochenkrebs und konnte sich kaum mehr bewegen. Er suchte und fand beim Schweizer Verein „Exit“ entsprechende Hilfe.

Ähnlich wie zum Beispiel der bekannte österreichische Schauspieler Herbert Fux. Haben Sie persönlich Verständnis dafür?
Habich: Im konkreten Fall schon, und da bin ich froh, dass das seinerzeitige Verbot in Deutschland gekippt wurde. Ich denke, das ist eine große psychische Erleichterung für Menschen, die schweres Leid mit sich herumtragen. Nun haben sie einen Notausgang. Sonst wären sie in ihrer unendlichen Qual klaustrophobisch gefangen. Die gesetzliche Erlaubnis führt vielleicht sogar dazu, dass jemand vielleicht doch noch auf diesen Verzweiflungsschritt verzichtet. Eben, weil die Klaustrophobie wegfällt. Man kennt das ja vom Beispiel, dass jemand eine Menge Schlaftabletten auf seinen Nachttisch stellt, sie am Ende aber nicht schluckt.

Wie in "Terror" wird TV-Publikum zum aktiven Zuschauer.
Wie in "Terror" wird TV-Publikum zum aktiven Zuschauer. © ORF

Wenn man das Problem in seiner ganzen Tragweite überdenkt, entdeckt man vielleicht einen besonderen Haken. Sehr junge Menschen sind nach einem großen Liebeskummer oft so weit, dass sie am liebsten sterben möchten. Darf auch ihnen dann „geholfen“ werden?
Habich: Gewiss gibt es da viele Beispiele. Pubertäre Nöte sind natürlich absolut ernst zu nehmen, aber: Kein Arzt würde zum Beispiel einer 15jährigen beistehen, wenn sie ihn aus solchen Gründen darum ersuchen würde. Doch wenn ein Erwachsener aus begreifbaren Gründen diesen Wunsch hegt, sollte man ihm die Möglichkeit geben. Prinzipiell bin ich jedoch der Ansicht: Für jeden Menschen ist es in keiner Situation einfach, freiwillig aus dem Leben zu gehen.

Können Sie sich an einen Moment erinnern, an dem S i e sich, zumindest kurzfristig, wünschten: Jetzt würde ich am liebsten sterben?
Habich: Gott sei Dank hat mich das Schicksal bisher vor großer Verzweiflung bewahrt. Momente der Verzweiflung können natürlich von Individuum zu Individuum sehr verschieden sein, können auch auf Bagatellen beruhen. Doch meine persönlichen schlimmen Erlebnisse waren in der Tat sehr relativ.

Wie beurteilen Sie den Dreh zu „Gott“ generell?
Habich: Absolut positiv, weil ich den anderen Kollegen – lauter Kapazunder – gut und gern zuhören konnte.

Auch, weil sie hohe sprachliche Qualität hatten? Heutzutage wird ja im Fernsehen oft genuschelt?
Habich: Ich glaube, es geht mehr um die Denkqualität als um die sprachliche. Einen Schauspieler, der richtig denkt, wird man auch gut verstehen.

In Ihrer Filmographie finden sich rund hundert Titel für Kino und Fernsehen. Rollen der verschiedensten Art. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Karriere?
Habich: Ich bin dankbar für alles, was ich machen durfte. Es gab natürlich Hochs und Tiefs, aber bei mir waren es mehr Hochs. Es ist ein schöner Beruf, der mich sehr glücklich machte, und zu dem ich keine Alternativen wüsste.

In welchem Projekt wird man Sie demnächst sehen?
Habich: Ich habe, in der Ukraine, den „Drachentöter“ gedreht.

Fantasy?
Habich: Nein, es klingt nur so. Ist aber sehr ernst und sehr dunkel. Das Wort „Drache“ steht für Bedrohung. Es geht um Schuld und Liebe. Die Geschichte spielt im Jahr 1985. Ich verkörpere einen Mann namens Josef, Ex-Alkoholiker, der einer jungen Frau hilft, von ihrer Drogensucht wegzukommen.

Im Verlauf Ihrer Laufbahn hatten Sie ja auch wiederholt in Österreich zu tun. Mit welchen Erinnerungen?
Habich: Ich liebe das Land und Wien, wo ich auch Theater gespielt habe. Bei euch werden Schauspieler ja wie Götter behandelt. Was man von Deutschland nicht sagen kann, und von der Schweiz, wo ich ebenfalls einen Wohnsitz habe, schon gar nicht.