­„Das traust du dich nie!“ Wir alle wissen, der Satz, der ist keine Warnung, sondern die in eine scheinbare Empörung verpackte Aufforderung zum unbedingten Weitermachen. Ein Ausbruch aus der Gewohnheit, ein sich mit pumperndem Herzen ins Unterholz schlagen und sich ziemlich befreit fühlen. So in etwa ist die Begleitmusik von „Liebe und Anarchie“ (Netflix): Sofie ist verheiratet, hat zwei Kinder, eine superschicke Wohnung, alles auf Schiene und wer nicht spurt, wird auf Schiene gebracht: ein alteingesessener Buchverlag zum Beispiel. Hier ist Changemanagement ein Fremdwort, aber keines, das man in den Büchern finden würde. Der junge IT-Techniker Max hingegen, der ist offen für alles: Mit ihm geht Sofia einen schrägen Wettbewerb ein: Ich mache das, wenn du das machst. Und natürlich hört man nicht auf, bis nicht einer heult. Für Sofie eine Art Erweckungserlebnis: Wie sehr ist sie selbst über den Jahren auf der Strecke geblieben?

Die Serie punktet vor allem durch ihre Mischung aus schrägen Charakteren und witzigen Dialogen. Und noch mehr, indem sie aktuelle, gesellschaftliche Entwicklungen mit viel Ironie vorführt: Der Vater von Sofia, ein Antikapitalist durch und durch, „will kein Opfer des digitalen Systems werden“. Ist er deshalb nur ein Querulant, der den Familienfrieden stört, wie ihr Mann ihn empfindet, oder einer, der sich einfach nicht verbiegen lassen will? Oder der Agenturchef: sportlich, leistungsorientiert, aber konfliktscheu wie Bambi im Frühling. Oder die Lektoren, die sich wohl nie darauf einigen werden: Kann man das Werk vom Autor trennen? Noch lustiger vielleicht: Der Streamingdienst, der die Agentur kaufen will. Und natürlich geht es nur um Inhalte, nicht um Zahlen, hüstel. Kurzweilig, stimmig, passend zur Zeit.


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