Der Youtuber Rezo, ausgezeichnet mit Nannen- und Grimme-Preis, steht für einen veränderte Medienkonsum. Was waren Ihre Überlegungen gerade ihn für die Jubiläumssendung einzuladen?
Richard David Precht: Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, dass es die Jubiläumssendung ist. Ich habe ihn eingeladen, weil mich das Thema, der Strukturwandel der Öffentlichkeit sehr interessiert und Rezo ein guter Repräsentant der Neuen Medien ist. Deswegen haben wir die Sendung gemacht.

„Schallplatten sterben ja auch nicht aus“, sagt Rezo im Gespräch (Anm.: ZDF, Sonntag, 23.45 Uhr) mit Ihnen über die klassischen Medien. Drohen Zeitung und linearem Fernsehen ein Vinyl-Dasein?
Richard David Precht: Das ist eine ganz schwer zu beantwortende Frage. Ich weiß es nicht und habe die Sendung gemacht, um darüber schlauer zu werden. Ich glaube, dass es in zehn Jahren noch öffentlich-rechtliches Fernsehen gibt, aber ich weiß nicht, ob es dann noch lineares Fernsehen gibt. Es gibt sicher auch noch deutsche Zeitungen wie die FAZ. Die Frage ist, welche Bedeutung werden die noch haben.

Rezo: "Ich möchte mich selber aufklären, ich möchte die anderen aufklären, ich sehe da natürlich auch eine gewisse Verantwortung."
Rezo: "Ich möchte mich selber aufklären, ich möchte die anderen aufklären, ich sehe da natürlich auch eine gewisse Verantwortung." © ZDF/Juliane Eirich

Können Sie aus diesen TV-Gesprächen in „Precht“ persönlich etwas mitnehmen? Oder geht es vor allem darum, dass die Zuschauer etwas davon haben?
Richard David Precht: Nein, nein, das sind ja Gäste, wo ich mich freue, mich mit denen zu unterhalten. Und ich verspreche mir daraus natürlich auch jedes Mal einen Erkenntnisgewinn.

Wer im Netz mit geringem Aufwand große Aufmerksamkeit erlangen will, kommt mit „glauben und meinen“ weit. Erwächst in diesem Umfeld der nächste große Spaltpilz unserer Gesellschaft?
Richard David Precht: Starke Meinungen haben wir auch bei den traditionellen Medien. Die „Bild“-Zeitung hatte immer eine starke Meinung, „FAZ“ und „Spiegel“ auch. Das ist eigentlich nichts Neues. Was wir im Augenblick bei den Neuen Medien sehen, ist ja auch eine Konzentration auf bestimmte Meinungsmacher, die dort informieren und ihre Sicht der Welt darstellen, wie Rezo oder Tilo Jung zum Beispiel. Die treten jetzt völlig gleichberechtigt zu den alten Medien in Konkurrenz und sind bei den jüngeren Zielgruppen sogar deutlich stärker.

Sie leben in beiden Universen. Welchen Unterschied macht es für Sie im Kanal von „Jung & Naiv“ oder bei „Maischberger“ zu Gast zu sein?
Richard David Precht: Das macht ganz grundsätzlich gesehen keinen Unterschied, außer dass es sich bei traditionellen Medien meist um große Bühnen handelt. Bei Neuen Medien wie „Jung & Naiv“ um eher eine kleine, vertrauliche Atmosphäre. Das ist natürlich, was die Art zu reden anbelangt, sicher ein Unterschied.

Was kommt ihnen eher zupass, wo fühlen sie sich wohler?
Richard David Precht: Ich bin an die alten Medien gewöhnt, fühle mich in den neuen wohl, könnte mir aber vorstellen, dass viele, die nur an die neuen gewöhnt sind, mit den alten ihre Schwierigkeiten haben. Also plötzlich vor Publikum aufzutreten und ein förmliches, siezendes Gespräch zu führen ist dann doch was anderes als ein kumpelhaftes Du-Gespräch.

Dazu passt die schöne Antwort Rezos auf Ihre Frage, was er unter dem Begriff Wahrheit verstehe. Er sagt: „Ja Alder, das is ne krasse Frage.“ Gibt es eine Sprachbarriere zwischen den beiden Medienwelten?
Richard David Precht: Auch die klassischen Medien haben ihre Sprache sehr verändert. Es wird heute sehr viel mehr gewertet und jovial formuliert, als das vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren der Fall war. Die haben sich eigentlich auch angepasst. Aber die passen sich an ein Publikum an, das vielleicht 50 oder 60 ist. Und Rezo spricht die Sprache seines Publikums, das deutlich unter 30 ist. Aber ich finde nicht, das eine ist besser als das andere, sondern man muss halt die Sprache der Leute sprechen, von denen man verstanden werden will.

Rezo spricht gerne von den Potenzialen seiner Medienwelt, aufklärerisch zu wirken. Teilen Sie diesen Optimismus, der sich dahinter verbirgt?
Richard David Precht: Die Neuen Medien unterschieden sich diesbezüglich von den alten gar nicht. Wenn Sie einmal überlegen: Das meist genutzte alte Medium war die „Bild“-Zeitung. Und das war auch eher ein Organon des Fühlens, Meinens und Glaubens, als der reflektierten durch viel Urteilskraft und Bedenken geschulten Überlegung. Und warum würde es uns wundern, dass in den Sozialen Medien die Unterhaltungsmedien einen größeren Stellenwert haben als die von seriösem Journalismus oder qualifizierter Meinungsmacht? Ich denke, das ist einfach nur in einer jüngeren Sprache in ein anderes Medium verlagert. Aber wir haben im Grunde die gleichen Stärken und Schwächen, die wir bei den alten Medien auch gehabt haben. Wenn man denkt: Alte Medien, das ist ja auch der gesamte Bereich der Yellow Press gewesen. Der ganzen Unterhaltungszeitschriften. Wenn man die Auflagen der seriösen Zeitungen mit denen der Unterhaltungszeitungen vergleicht, dann ist die Unterhaltung immer in der Mehrheit gewesen. Warum soll das jetzt nicht bei Youtube-Kanälen genauso sein?

Ihre 2012 gestartete Gesprächsreihe „Precht“ geht am Sonntag die 50. Áusgabe. Gibt es Persönlichkeiten, die Sie gerne in die Sendung eingeladen hätten, die bisher immer abgesagt haben?
Richard David Precht: Es gibt welche, die schon oft abgesagt haben, und andere, die wir uns noch nicht getraut haben einzuladen. Ich würde bestimmt gerne mal den Papst einladen. Aber dass der kommt, ist nicht sehr wahrscheinlich.