Neu ist die Diskussion um die Vereinbarkeit nicht. Die Liaison mit dem damaligen Grünen-Generalsekretär Lothar Lockl beendete 2007 Claudia Reiterers Tätigkeit als Moderatorin der sonntäglichen „Hohes Haus“-Sendung. Zwölf Jahre später sorgt erneut das ORF-Parlamentsmagazin für Aufregung: Der Einstieg von Ex-„Kurier“-Chefredakteur Helmut Brandstätter in die (Neos-)Politik wirft die Frage auf, ob seine Ehefrau Patricia Pawlicki im ORF weiterhin „Hohes Haus“ und „Runder Tisch“ moderieren soll.

Die Journalistin mit knapp 30-jähriger innenpolitischer Erfahrung soll unbedingt weitermachen wollen, ist aus dem ORF zu hören. Ob sie das auch darf, ist unklar. Der öffentlich-rechtliche Sender betont Pawlickis politische Integrität – und setzt zugleich auf Zeit: Aufgrund von Sendungspausen und Urlaubszeiten bestehe keine unmittelbare Notwendigkeit zu entscheiden.

In der Vergangenheit zeigten sich die Entscheidungsträger am Küniglberg offenbar kulanter: Die nunmehrige Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler war in den 90ern Bundesobmann-Stellvertreterin der ÖVP. Ihr Vater hatte zugleich den Posten als Generalintendant des ORF inne. Anderes Beispiel: Stefan Gehrer war Anfang der 2000er-Jahre ZiB-Moderator, während seine Mutter als Ministerin amtierte. Claudia Reiterers Weg führte nach ihrem Abschied von „Hohes Haus“ über die „Konkret“-Servicemagazinezurück zur Innenpolitik: Seit 2017 leitet sie „Im Zentrum“.

Pro: Frau ist kein Anhängsel, meint Antonia Gössinger

Wir schreiben das Jahr 2019. Da ist es unerträglich, dass eine profilierte Journalistin berufliche Nachteile erleiden soll, weil ihr Ehemann in die Politik geht. Patricia Pawlicki ist diplomierte Politologin und Kommunikationswissenschaftlerin, stellt seit 1988 – also seit 31 Jahren – im ORF ihre journalistische Kompetenz unter Beweis, ob als Korrespondentin, Redakteurin im Radio und Fernsehen oder als Moderatorin. Sie hat nie die vom ORF geforderte Unabhängigkeit in irgendeiner Weise gefährdet.

Von uns unabhängigen Journalistinnen und Journalisten ist tagtäglich der Beweis zu erbringen und die Abwägung zu treffen, sich den Aufgaben objektiv zu stellen. Patricia Pawlicki würde wohl nicht auf die Idee kommen, ihren Ehemann, den Neos-Mann Helmut Brandstätter, zu interviewen. Zudem stehen profilierte Redaktionen dahinter, die das nicht zulassen würden. Nur, warum sollte sie nicht weiterhin andere Politikerinnen und Politiker so journalistisch fundiert wie bisher interviewen? Und so hartnäckig?

Es ist unerträglich, dass im Jahr 2019 Frauen noch immer in die Rolle eines Anhängsels ihres Ehemannes gedrängt werden, ungeachtet ihrer eigenständigen beruflichen Laufbahn. Soll sich Pawlicki scheiden lassen, damit sie nicht das Feld räumen muss? Das zeigt, wie unsinnig allein die Diskussion ist. Und allen, die diese Diskussion führen, sei die Frage gestellt: Wie würden Sie reagieren, handelte es sich um Ihre Ehefrau, Schwester oder Tochter?

Kontra: Nur eine Konsequenz, findet Michael Sabath

Im Jahr 2007 hatte sich Claudia Reiterer als Moderatorin der ORF-Sendung „Hohes Haus“ zurückgezogen, weil ihr Partner Lothar Lockl als Generalsekretär der Grünen, damals noch in einer Parlamentspartei, politisch aktiv war. Ebenso aktiv wie Helmut Brandstätter seit einigen Tagen in der neuen Funktion für Neos, während seine Ehefrau Patricia Pawlicki das gleiche Politmagazin moderiert wie zwölf Jahre zuvor ihre Kollegin.

Die logische Konsequenz liegt aufgrund der Vergleichbarkeit der beiden Fälle auf der Hand: Unabhängiger Journalismus basiert auch im Jahr 2019 auf politischer Unabhängigkeit. Besonders im größten Medienunternehmen des Landes, wenn sich die Tätigkeitsbereiche in der öffentlichen Wahrnehmung nicht glaubwürdig abgrenzen lassen. Eine Konsequenz, die für Männer wie Frauen in diesem Beruf gleichermaßen gilt. In Zeiten der Gleichberechtigung hier eine Ungleichbehandlung zu konstatieren, ist wenig zielführend und nicht nachvollziehbar.

Patricia Pawlicki ist und bleibt eine hervorragende Journalistin. Die Diskussion um ihre Rolle als Moderatorin eines Politmagazins in einem öffentlich-rechtlichen Sender hätte ihr und uns erspart bleiben können, wenn sie aus eigenen Stücken im Blick auf die Unvereinbarkeit das Innenpolitik-Ressort im ORF verlassen hätte. Bis auf Weiteres. Es gibt immer einen Weg zurück, wie das Beispiel von Kollegin Claudia Reiterer beweist.