Jahrelang blieben die Manipulationen unbemerkt, erst der Hartnäckigkeit einer Kollegin ist es zu verdanken, dass der Redakteur des Regionalsenders RTL Nord aufgedeckt werden konnte. Die Mitarbeiterin zeigte an, "dass ein Beitrag des Reporters über Codein-Missbrauch nicht mit den Fakten aus dem ebenfalls von ihm gedrehten Rohmaterial" übereinstimme. Nach einer "gründlichen Prüfung des Verdachts", wie RTL schreibt, konnten ihm mindestens sechs weitere Fälle nachgewiesen werden, in denen er Beiträge bewusst verfälscht hatte. Nach der Relotius-Affäre des "Spiegel" hat nun also auch RTL seinen Manipulations-Skandal.

Damit konfrontiert, versuchte der Reporter, der zuletzt überwiegend für das Mittagsjournal "Punkt 12" im Einsatz war, zu relativieren. "Da die Beweislage in den geprüften Fällen jedoch eindeutig war, wurde die sofortige Trennung von dem Mitarbeiter ausgesprochen", heißt es seitens RTL.

Nun werden alle Beiträge des Reporters aus den vergangenen zwölf Jahren geprüft. Dieser habe die "rote Linien des Journalismus überschritten", erklärt RTL Nord-Programmchef MichaelPohl. Alle Beiträge des Reporters wurden sowohl online als auch im internen Newsarchiv umgehend gesperrt.

Die Manipulation

RTL reagiert, ähnlich wie der "Spiegel" nach dem Fall Relotius, mit dem Versuch großer Transparenz: Eine Mitarbeiterin wandte sich am 15. Mai mit einem Verdacht an den Michael Pohl. Im Mittelpunkt des Vorwurfs: Eine verdeckt gezeigte Protagonistin, laut Beitrag eine zweifache Mutter, die angeblich Codein einnehme. Sie sah allerdings deutlich jünger als angegeben aus, zudem ging aus dem Rohmaterial hervor, dass sie das Opiat Codein noch nie eingenommen habe:  "Nach zweimaliger Aufforderung gab der Reporter am 20. Mai die Kontaktdaten aller Protagonisten des Beitrags preis und beteuerte, diese seien real." Allerdings: Der Reporter sprach die Unwahrheit. Nach weiteren Untersuchungen stellte sich heraus, dass die gezeigte Frau nicht die von ihm angegebene Person war.

In einem anderen Beitrag führte der Reporter an, er habe ein persönliches Interview mit LionelRichie geführt. Dabei fügte er sich in der Postproduktion "durch Gegenschussaufnahmen nachträglich als Fragesteller ein". Allerdings: Die Materialien stammten bloß aus einer elektronischen Pressemappe - Electronic Press Kit genannt - und zeigten ursprünglich nur den Sänger.