Mein ganz besonderer Dank gilt Ihnen, Herr Bundespräsident, der Sie durch Ihr Mitwirken der Verleihung eine besondere Bedeutung und Würde verleihen.

Sie haben in den vergangenen Tagen eindrucksvoll aufgezeigt, dass es in der Politik wie im Leben insgesamt um mehr geht als den schnellen Erfolg. Nämlich um Respekt, Anstand, Vertrauen, Zuversicht.

Ich bin so froh darüber, dass heute Sie an diesem Platz sind. Ich will mir gar nicht vorstellen, was sonst alles möglich wäre.

Stellen wir uns dafür etwas anderes vor. Was wäre, wenn das sogenannte Ibiza-Video gar nicht veröffentlicht worden wäre. Nehmen wir an, den journalistischen Abnehmern wäre das Material „zu heiß“ geworden, weil irgendein Mister „Zack, Zack, Zack“ schon da war.

Wir würden noch immer von einer sehr harmonischen  Koalition hören, vom wunderbaren Klima, von den vielen guten Entscheidungen für Österreich. Message Control lässt grüßen. Wir würden möglicherweise glauben, Zack Zack Zack sei auf einem guten Weg zum verantwortungsbewussten Staatsmann, anständig und fleißig.

„Ja dürfens denn das?“ Diese Frage haben uns viele Leserinnen und Leser in den vergangenen Tagen gestellt. Praktisch alle haben die größenwahnsinnigen Anwandlungen eines Politikers und seines Adlatus verurteilt. Aber sie haben gleichzeitig die Methoden in Frage gestellt, mit denen sie aufgedeckt wurden.

Die Frage, die uns Journalisten betrifft, ist: „Dürfen Zeitungen, Radio und Fernsehen einen illegal aufgenommenen Film auswerten und veröffentlichen.“

Die gesetzliche und auch medienethische Lage ist eindeutig. Wenn der politisch relevante Inhalt von großem öffentlichen Interesse ist, dann dürfen sie. Und ich möchte hinzufügen: Sie dürfen nicht nur, sie müssen.

Zeitungen, Radio und Fernsehen müssen aber auch der Herkunft des Materials nachgehen. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf zu erfahren, wer das Video in Auftrag gegeben und angefertigt hat. Die Frage: Cui bono, wem nützt es, muss beantwortet werden. Das ist unser Job. Da können wir uns nicht zurücklehnen und warten, bis die Süddeutsche oder der Spiegel liefern.

Der Bundespräsident hat uns die vierte Macht genannt. Als Schützer der Demokratie, als Aufklärer, als unabhängige, mutige Kontrollore, als hartnäckige Sucher nach der Wahrhaftigkeit müssen wir danach trachten, alle Fakten herauszufinden und zu veröffentlichen. Egal, ob sie uns gefallen oder nicht.

Besonders österreichisch an der Causa ist übrigens, dass Strache und Co. nicht schon früher über einen der vielen rechtsextremen Einzelfälle gestolpert sind, sondern über ihre eigenen Video-Antifiguren von Fleißigen und Anständigen.

Wir sollten in Zukunft genauer hinschauen und präziser formulieren. Wir haben verharmlosend von Populismus gesprochen und geschrieben. Wir müssen die Dinge so nennen, wie sie sind: extrem.

Ist HC der einzige, der uns für die größten Huren auf dem Planeten hält? Oder halten uns auch andere dafür? Andere, an die wir uns manchmal allzu heftig anschmiegen. Wer einander in den Armen liegt, kann sich nicht kontrollieren. Nahe an der Macht ist es wie nahe am Feuer. Zuerst wärmt es, dann verbrennt es einen. Ich rate zu mehr Distanz.

Unser Image ist nicht gut. In der Bevölkerung nicht und bei Politikern schon gar nicht. Ansehen als Berufsstand genießen wir in Umfragen nur bei knapp einem Viertel der Bevölkerung. Ähnlich niedrig ist das Ansehen von Autoverkäufern, Politikern und – es tut mir leid -  Gewerkschaftsfunktionären. Ganz vorn sind hingegen die Feuerwehrleute, Krankenschwestern, Ärzte, Piloten.

Nun ist es weder unsere Aufgabe noch kann es Ziel sein, besonders beliebt zu sein. Ein Lehrmeister von mir, der unvergessliche Gerhard Neureiter, pflegte stets zu sagen: Wenn du viele Freunde haben willst, dann darfst du nicht Journalist werden.

Aber es gibt Gründe für den schleichenden Ansehens- und Vertrauensverlust von  Medien. Es gibt tatsächlich Verrottungserscheinungen, wenn ich mir etwa die Vergabe von Inseraten an bestimmte Zeitungen  anschaue, die damit als willfährige Berichterstatter geködert werden sollen.

Wir Journalisten müssen außerhalb der verhaberten Republik stehen, damit wir auch weiterhin einen kritischen Blick auf sie werfen können. Wir dürfen uns vom warmen Schein der kalten Macht nicht verführen lassen. Die schmeichelnden Töne gelten nicht uns persönlich, sondern nur unserer Funktion. Es ist gut, das zu wissen. Unser Platz ist und bleibt die Tribüne und nicht das Spielfeld.

Das Vertrauen in unsere Arbeit hat auch dadurch gelitten, dass sich politische Parteien heute ihre eigene Medienwelt zimmern, in der sie auch ihre eigene Wahrheit verbreiten. Und in der sie uns attackieren und uns Fake News unterstellen. Relotius war Wasser auf die Mühlen der Journalisten-Gegner.

Wir können das Vertrauen nur durch Transparenz und Qualität wieder gewinnen. Doch Qualität, was ist das schon? Jeder behauptet heute von sich, er mache eine Qualitätszeitung.

Unsere Branche ist wirtschaftlich in Bedrängnis geraten. Die Goldenen Zeiten sind durch die Digitalisierung vorbei. Internationale Giganten wie Google oder Facebook saugen nicht nur unsere Inhalte sondern auch Werbeerlöse aus Österreich ab. Und sie zahlen so gut wie keine Steuern dafür. Das muss geändert werden.

Die schwierige Lage bietet aber auch eine Chance für guten Journalismus. Unsere Arbeit gerät wieder stärker in den Focus. Die Leserinnen und Leser, die Seher und Hörer, die User stehen plötzlich wieder im Mittelpunkt des Interesses der Überlegungen. Es geht nämlich mehr denn je darum, Menschen für journalistische Inhalte zu begeistern. Menschen, die für diese Inhalte auch Geld bezahlen. Weil sie ihnen einen Informationsvorsprung bringen, weil sie ihnen einen Nutzen bringen, weil sie ihnen Wissen vermitteln. Wir sind von Schluchtenfüllern neben Inseraten und Pausenfüllern zwischen Werbeblöcken zu jenen geworden, die mit ihren hochwertigen Inhalten die Basis für unsere Zukunft wesentlich absichern.

Erlauben Sie mir noch einen Gedanken über das Verhältnis von Demokratie und Zeit.

Die Demokratie ist eine langsame Angelegenheit. Der  Ausgleich der Interessen ist mühsam, das Ringen um Kompromisse zäh. So etwas dauert. Demgegenüber steht unsere sich immer schneller drehende digitale Welt. Sie verzeiht kein längeres Nachdenken. Alles muss schnell gehen, auch auf die Gefahr hin, dass immer öfter falsch entschieden wird. Geduld ist ein knappes Gut. Wenn ein Bundeskanzler über die Zukunft der Republik länger als acht Stunden nachdenkt, wird er bereits als entscheidungs- und führungsschwach kritisiert.

Das Gegenteil sollte der Fall sein. Das gilt auch für uns Journalisten, die wir manchmal zum Hyperventilieren neigen. Ruhe bewahren, erst denken, dann schreiben.

Zum Schluss möchte ich noch zwei Überlegungen in den Saal werfen:

1.  Ibiza-Gate wäre Politikerinnen nicht passiert.

2.  Wir Journalisten sollten mehr miteinander statt gegeneinander arbeiten. Bei allem wichtigen und sinnvollen Wettbewerb: Unsere wahren Gegner sitzen nicht in anderen Medien, sondern ganz woanders.