Eigentlich müsste es gleich in der ersten Minute heißen: Diese Folge kann ihre Gesundheit gefährden, denn eine Stunde und 16 Minuten Vollkaracho muss man erst einmal durchstehen. Und doch: es lohnt sich. Miguel Sapochnik, GoT-Kriegsexperte, setzte schon die Episoden "Hartheim" und "Schlacht der Bastarde" um. Die Wetteraussichten für diese Nacht übrigens: Schneesturm. Sonnenaufgang: Wunschtraum.

Dabei gehen es die Macher langsam an: Drachenschreie hallen durch die Nacht. Es ist ganz klar die Ruhe vor dem Sturm. Selbst Jorah Mormont hat Tränen in den Augen und er weiß: da kommt etwas ganz Großes auf sie zu. Die Zuschauer dürfen ein bisschen durchschnaufen und wer mit dem Blick auf das Ende zum Beginn zurückspringt, der muss sagen: Ach, hätte ich doch noch zweimal mehr durchgeschnauft.

Schon zu Beginn hat eine einen Auftritt, von der man nicht weiß, ob man sie eigentlich vermisst hat: Melisandre. Doch als Abgeordnete des Herrn des Lichts, kann es vielleicht nicht schaden, dass sie den Dothraki mit zündenden Motivationsrede Feuer unterm Hintern macht. Und wir lernen: "Valar Morghulis!" ist also das neue "Attacke". Währenddessen überblicken Jon Snow und seine Freundin, äh Tante, Daenerys Targaryen das Schlachtfeld. Ein Blick, der selbst eingefleischte Kriegsstraten die Schweißperlen auf die Stirn treiben dürfte. Schon jetzt ist klar, diese Nacht, sie dürfte anstrengend werden.

Und dann geht es auch schon los, worauf man seit der ersten Staffel eingeschworen wurde: "Die lange Nacht" - auch Titel der aktuellen Episode. Es ist ein Schmatzen und Krachen, ein Würgen und Spucken, ein Klirren und ein Röcheln. Die Zombiearmee gibt sich alles andere als blutleer. Es schneit, es ist dunkel, zwischendurch lodert Feuer, die Drachen sind unterwegs. Bis dahin nicht gesichtet: der Nachtkönig. Und es ist anstrengend genug: Szenen aus der Vogelsperspektive wechseln sich mit Close-Ups auf die eingeschworene Kriegergemeinschaft ab. Der "Schlacht der Bastarde" nicht unähnlich. Die Armee der Toten funktioniert vor allem über die schiere Masse. Eine Gemengelage bei der man oft schwer sagen kann: Wer ist hier Freund und wer ist hier Feind?

Im an Winterfell angeschlossenen Garten warten Bran und Theon Greyjoy unterdessen auf den Nachtkönig. Wir erinnern uns an die letzte Folge: Der Nachtkönig muss Bran töten, um die Erinnerung aller auszulöschen. Bran fungiert somit als Lockvogel. In der Krypta redet Sansa Tyrion, der seine Fähigkeiten ungebraucht sieht, ins Gewissen: "Wir sind hier unten, weil niemand von uns etwas tun kann und das Helfendhafteste was wir tun können, ist der Wahrheit ins Gesicht zu sehen." Ob ihn das beruhigt? Wohl eher nicht.

Melisandre mischt in der langen Nacht mit
Melisandre mischt in der langen Nacht mit © HBO

Am Schlachtfeld kommen im Schneesturm selbst die Drachen ins Strudeln. Eines ist klar: diese Schlacht ist selbst mit Drachenglas nicht zu schlagen. Rückzug! Es folgt ein Johnny-Cash-Moment: "And it burns, burns, burns the ring of fire". Dank Melisandre wird ein Feuerring um Winterfell gezogen. Und doch ist das Aufatmen nur kurz: Sogar der Bluthund hat eine Panikattacke: "Wir können sie nie besiegen. Wir kämpfen gegen den Tod und den kann man nicht besiegen".

Doch er hat die Rechnung ohne Lady Lyanna Mormont gemacht: Im Alleingang streckt sie den Riesen nieder und bezahlt dafür mit ihrem Leben. Da wird einem im Wahnsinn zum ersten Mal bewusst, dass die Opferzahl unter der Schicksalsgemeinschaft bislang recht niedrig ist. Da kracht auch schon Jon Snow nach einem Infight mit dem Nachtkönig samt Drachen auf das Schlachtfeld. Er taumelt. Was man vom Nachtkönig nicht sagen kann. Der ist voll im Saft - auch nach einer Drachen-Feuerattacke durch Daenerys. Der Nachtkönig entsteigt mit einem süffisanten Lächeln (hah, eine Regung!) dem Feuer und marschiert munter drauf los. Ganz so nebenbei erweckt er auch noch die Toten um sich. Inmitten des Wahnsinns dürfte sich Jon Snow gerade wie im schlechten Film vorkommen.

Der Nachtkönig
Der Nachtkönig © (c) AP

In Winterfell selbst ist es nur mehr ein Hauen und Stechen. Während es zwischen Arya und Melisandre zu einer Schlüsselszene kommt, nachdem Beric Dondarrion das Zeitliche segnet. Genau, der Beric Dondarrion, der vom Herrn des Lichts schon zigfach ins Leben zurückgeholt wurde. Melisandre klärt auf: "Der Herr hat ihn zu einem bestimmten Zweck zurückgebracht. Dieser Zweck wurde nun erfüllt." Seine Aufgabe bestand offenbar darin, Arya zu retten. Warum, das wird später noch ziemlich klar werden. Aktueller Zwischenstand: Ob diese Schlacht zu retten ist? Aus jetziger Sicht nicht.

Als Jon Winterfell erreicht, gleicht das Szenario einer einzigen Schlachtbank. Doch die Macher zeigen trotzdem wenig Gnade. Drehen die Musik auf und die Dynamik runter. Man sieht die Kämpfer wie durch einen Schleier. Im Orkan ist es ganz still. Eine Anmutung, wie man es von großen Schlachtengemälden kennt. Opulenz mit Gänsehaut.

Als der Nachtkönig auf Bran zuschreitet, ist man selbst schon so erschöpft, dass man um Gnade flehen möchte (oder wahlweise weinen oder beides). Zu Beginn des Grande Finales wird noch einmal jede Bewegung auf das Minimum reduziert. Bran zu Theon Greyjoy, der der Übermacht nichts mehr entgegenzusetzen hat: "Theon. Du bist ein guter Mensch, ich danke dir." Eine der besten Szenen der gesamten Folge. Doch es kommt, wie kommen muss: Der Nachtkönig räumt Theon nach Nachtkönig-Spezialart aus dem Weg: eiskalt. Die Macher ziehen vor dem Showdown noch einmal eine Schleife ein: Daenerys und Jorah Mormont am Rande ihrer Kräfte am Schlachtfeld. Die letzten verzweifelten Versuche, Winterfell zu halten. Jon im Infight mit dem Drachen des Nachtkönigs. Starke Szenen, rausgelöst aus dem Wahnsinn.

++ ACHTUNG: SUPERFINAL-SPOILER!!! +++

Was danach kommt, ist ein Triumph der ewig Unterschätzten: Arya erledigt den Nachtkönig mit einem gezielten Dolchstoß. Es klirrt, es kracht, es splittert. Der Nachtkönig und seine Armee, ein Scherbenhaufen. Fünf Minuten vor dem Ende kommt der Spannungsabfall: Mormont verlassen die Kräfte, irgendwie möchte man ob der Anstrengung gleich mitheulen.

Schlussakkord: Melisandre löst das ein, was sie zu Beginn der Folge  Davos Seaworth angekündigt hat: "Vor dem Morgengrauen werde ich tot sein". Sie schreitet über das Schlachtfeld und wird zur toten Hülle.

Fazit: Die episch angekündigte Schlacht hat durchaus gehalten, was versprochen wurde. Gute Umsetzung des Mottos: "Wir sind alle durch die Hölle gegangen". Erstaunlich: Die meisten Figuren haben die Nacht überlebt, was für die drei letzten Folgen umso mehr Spannung verspricht. Denn wenn wir eines gelernt haben: In Game of Thrones werden die meisten Tode für gewöhnlich zelebriert. Da dürfte noch so einiges Böses auf uns zukommen. Was gilt es jetzt zu tun: Sich sammeln und in Richtung Winterfell aufbrechen. Jetzt liegt es an den Menschen, die richtigen Wege einzuschlagen. Plus: Gibt es vielleicht noch irgendwo irgendwelche Drachen?

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