Herr Mair, Fake News, Trump, Spiegel-Skandal, eine Medienkrise jagt die nächste. Sind wir noch zu retten?
Markus Mair: Das liegt an den Journalisten. Sie haben einen extrem verantwortungsvollen und fordernden Beruf, Fehler passieren. Beim „Spiegel“ ging das sogar weit über Fehler hinaus; der Fall Claas Relotius ist aber ein Einzel- und kein Massenphänomen. Einer der Hauptansprüche von Journalismus ist es aufzuklären, immer an der Wahrheit bleiben. Bei diesen hohen Ansprüchen wiegen Fehler umso schwerer.

Einerseits genießen die Medien als vierte Gewalt im Staat hohes Ansehen, andererseits haben Journalisten kein gutes Image. Als Journalisten fragen wir uns da, was wir falsch machen.
Journalisten müssen nicht die Lieblinge der Nation sein. Damit würden sie auch ihren Beruf verfehlen. Grundsätzlich werden Menschen, die kritisch Fragen stellen, auch von anderen kritisch gesehen. Aber gute Journalisten, das zeigt sich immer wieder, haben Ansehen und hohe Autorität.

VÖZ-Präsident Markus Mair über Soziale Netzwerke: „Sie sind notwendig und ein Motor im Internet. Nur ist nicht alles, was sie tun, gut“
VÖZ-Präsident Markus Mair über Soziale Netzwerke: „Sie sind notwendig und ein Motor im Internet. Nur ist nicht alles, was sie tun, gut“ © Juergen Fuchs

Welche Schwerpunkte wollen Sie als neu gewählter Präsident des österreichischen Zeitungsherausgeberverbands (VÖZ) setzen, um Österreichs Printmedien zu stärken?
Ein aktueller Schwerpunkt in der Medienpolitik ist der angekündigte Reformentwurf zum ORF-Gesetz: von der Klarstellung des öffentlich-rechtlichen Auftrags bis hin zur Finanzierung des Senders. Andere Themen sind wichtig, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen lokalen und globalen Anbietern gesetzlich zu regeln, also etwa Digitalsteuer und Werbeabgabe. Ein weiterer offener Punkt ist das Thema Leistungsschutzrecht, die Frage geistigen Eigentums im Internet.

Da scheint es wenig Annäherung zu geben.
Natürlich hat geistiges Eigentum auch im Internet einen Wert. Das ist ja auch Grundlage für die Medienproduktion. Wir liefern Abonnenten Informationen, der Werbewirtschaft eine Plattform. Das einzige Gegenargument, das ich kenne, lautet: Es geht um die Freiheit des Internets. Ich frage mich: Wie weit soll diese Freiheit gehen? Sie kann ja nicht uneingeschränkt sein. Derzeit nehmen unabhängige Medienplattformen wie Youtube Inhalte anderer Anbieter und machen damit Geschäfte. Da braucht es eine klare gesetzgeberische Regel zum Schutz von geistigem Eigentum und Überwachungseinheiten, die das regelmäßig prüfen. Aber ich will ja nicht alles verteufeln, was Soziale Medien und Suchmaschinen betrifft. Sie sind ja notwendig und ein Motor im Internet. Nur ist nicht alles, was sie tun, gut.

Was passiert da auf EU-Ebene?
Ich sehe ein Machtspiel mit sehr großen, global agierenden Unternehmen, die viel tun, um in Europa Fuß zu fassen, auch durch intensives Lobbying in Brüssel. Aber diese Machtspiele werden auf dem Rücken von nationalen, regionalen, lokalen Medienunternehmen ausgetragen, die in ihren Heimmärkten bestehen müssen. Diese schützen zu wollen, hat nichts mit Protektionismus zu tun.

Medienminister Gernot Blümel schwebt eine Kooperation zwischen Privaten und ORF vor. Welche Möglichkeiten sehen Sie?
Der ORF wird über Gebühren finanziert und hat damit einen Startvorteil von rund 630 Millionen Euro. Daraus ist ein Ungleichgewicht entstanden. Minister Blümel will dem eine andere Richtung geben, indem er den ORF als Kooperationspartner privatwirtschaftlich geführter Medienunternehmen einbringt. Diskutiert und vorbereitet wird eine mögliche Kooperation in der Vermarktung. Da fehlen aber noch viele Details und der Ausgang ist offen.

Wie soll die Finanzierungsfrage des ORF geklärt werden?
Für uns ist nach wie vor die Gebührenfinanzierung des ORF das erste Thema. Eine Budgetfinanzierung, mit der einer jeweiligen Regierung die Möglichkeit gegeben würde, über finanzielle Steuerung Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu nehmen, lehne ich zutiefst ab.

Was haben die Verleger in Sachen Presseförderung vor?
Da scheint es aufseiten der Regierung wenig Bewegungsspielraum zu geben. Aber meines Erachtens müsste man über die digitale Transformation politisch nachdenken: Was ist es der Republik wert, dass österreichische Medienunternehmen hier mehr Kraft entwickeln? Als VÖZ werden wir auf die Regierung zutreten und uns damit befassen, inwieweit die Förderthematik die digitale Transformation beschleunigen kann.

Wo steht die so oft totgesagte Printzeitung in zehn Jahren?
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es sie dann noch geben wird. Gedruckter Inhalt auf Papier lässt sich, wenn man will, ewig aufbewahren, das hat eine Wertigkeit. Nicht von ungefähr drucken auch digitale Unternehmungen von „ichkoche.at“ bis zu Dieter Mateschitz’ „Red Bulletin“ Magazine auf Papier: Man kann damit Dinge anders weitergeben. Wir sollten uns also weniger mit der hellseherischen Frage beschäftigen, ob wir in ein paar Jahren noch Printzeitungen haben, sondern damit, wie sie dann aussehen soll. Das ist die Kernfrage.