Sie sind immer für eine Überraschung gut: Nachdem die heimischen Poperneuerer Bilderbuch vergangene Woche zunächst auf ihrem Instagram-Account Screenshots von vermeintlichen Songtexten veröffentlicht haben, folgt nun das dazugehörige Album. Auf "mea culpa" gibt es neun Lieder, die vorerst nur digital erscheinen und mit denen die Band klarmacht: Für uns gibt es keinen Weg zurück.

Maurice Ernst, Michael Krammer, Peter Horazdovsky und Philipp Scheibl haben den österreichischen Musikzirkus mit "Schick Schock" und den dazugehörigen Singles "Maschin" oder "Plansch" ziemlich umgekrempelt. Aus den zuvor anspruchsvollen, aber eigentlich recht braven Indie-Buben wurde mit dieser Platte eine gefährliche Gruppe, die Genregrenzen einriss und Sexyness ausstrahlte:So cool wie Falco zu seinen besten Zeiten.

Dass man Erwartungshaltungen links liegen lässt, bewies Bilderbuch dann mit "Magic Life" 2017: War zuvor das Vokabular der Rockmusik immer noch maßgebliche Grundlage für die in Richtung Hip-Hop und Dance gebeugten Songs, schien plötzlich alles möglich. Die Referenzen für diesen Sound waren längst in Übersee zu suchen. Kurze Intermezzi fachten die Stimmung an, Songtitel wurden mit Herzzeichen geschrieben  und der Schwebezustand zwischen Relaxen und Feiern bot das gelobte Land. Nichts war Bilderbuch zu schräg, kein Beat zu knackig, um hier nicht Unterschlupf zu finden.

Und jetzt "mea culpa", das den Weg fortsetzt: Haben die Kids in den vergangenen Monaten vielfach die neuen Cloudrap-Stars wie Yung Hurn oder Rin gefeiert, wissen auch Ernst und Co mit sphärischen Klängen und schwebenden Arrangements umzugehen. Die Lebenswelt im Jahr 2018, sie wird in all ihren digitalen Ausformungen auf den Boden gebracht, wenn das "Display so schwarz" ist wie im Opener "Sandwishes" oder "orange Zustände" in "Mein Herz bricht" besungen werden. Electro, Dreampop, flirrende Gitarren und eine gehörige Portion R'n'B US-amerikanischer Ausrichtung - alles hat Platz und passt unter diesen Hut, der wie viele Hüte daherkommt.

In vielerlei Hinsicht sind Bilderbuch nun ganz im Hip-Hop angekommen. Auch, weil dieser zuletzt der neue Pop geworden ist und sich von alten Zwängen befreit hat. "Lounge 2.0" ist eine flashige Fingerübung, in der Ernst zum "sabibabiba-wu" ansetzt, mittels Reduktion Coolness versprüht wird und die Gitarre schließlich in der Bridge zum Höhenflug ansetzt. Und dann wird die "Memory Card" eingeschoben, verbreitet sich Reggae-Flair und verlangt die Gruppe nach dem "Reset". Immerhin, die Liebe wird auch geortet: "Search love on LED screen."

Wer sich auf "Magic Life" nach der Power einer "Maschin" gesehnt hat, wird wohl neuerlich vor den Kopf gestoßen. Man muss aber neidlos festhalten: Bilderbuch zeigen sich von äußeren Umständen unbeirrt. Hier wird der Blick ohne Kompromisse nur nach vorn gerichtet. In der Sprache ist Ernst seinem Publikum jedenfalls so nah wie nur wenige andere Künstler, und mit "Checkpoint (Nie Game Over)" hat das Quartett wieder einen Hit im Köcher. Der Rest verlangt nach einer eingehenden Auseinandersetzung, was für diese Burschen aber ohnehin stets empfehlenswert ist.

Und außerdem gibt es ja bereits im Frühjahr Nachschub: Einerseits wird ab 22. Februar "mea culpa" auch als physischer Tonträger zur Verfügung stehen, andererseits ein Geschwisterchen bekommen. Denn Bilderbuch machen ernst und haben mit "Vernissage My Heart" bereits den nächsten Longplayer am Start. Genug Futter also für die umfangreiche Konzerttätigkeit, die die Band am Samstag zum Skiopening nach Zell am See führt. Kommendes Jahr dann eine große Tour, u.a. mit Auftritten in Innsbruck (24. April), vor dem Schloss Schönbrunn (24. Mai), Linz (13. Juli) und Graz (24. August). Es bleibt jedenfalls spannend.

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