Dem ORF drohe derzeit die größte existenzielle Krise seit seinem Bestehen, heißt es in einem Beschluss des ORF-Redakteursausschuss, in dem alle  RedakteurssprecherInnen aus allen Bereichen (Radio, TV, Online, Teletext und Landesstudios) versammelt sind: "Wir befürchten die absichtliche Zerstörung des öffentlich-rechtlichen Senders - über einen wirtschaftlichen und politischen Zangenangriff."

Schon im Sommer warnte Redakteursrats-Sprecher Dieter Bornemann in einem Interview vor politischer Einflussnahme.

Der Zeitpunkt dürfte kein Zufall sein. Vor wenigen Wochen hatte Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger erklärt, dass er noch vor Jahresende den Entwurf eines neuen ORF-Gesetzes erwarte. FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein hatte dies zurückgewiesen.

Kritisiert wird vom ORF-Redakteursausschuss ein systematischer Stellenabbau und als "Informations-Programm getarnte Belangsendungen", die der "Polit-Prominenz eine Bühne zur Selbstdarstellung" diene. Gleichzeitig würde der Ton gegen ORF-Journalisten seitens der Politik immer rauer, bis hin zu Kündigungsforderungen bei Interviewfragen, die einer Regierungspartei nicht gefalle. Einmal mehr warnt der ORF-Redakteursausschuss vor einer Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks über das Budget. Man sehe in Dänemark, welche Folgen dies für einen Sender habe.

Gefordert wird eine Stärkung des Stiftungsrates und mehr Mitspracherecht für Redakteure:

  • Im Stiftungsrat sollen anerkannte MedienexpertInnen einen fixen Anteil haben, um fachliche Expertise in diesem Aufsichtsgremium sicherzustellen.
  • Abstimmungen im Stiftungsrat sollen geheim sein.
  • Ein Drittel der Stiftungsräte müssen Belegschaftsvertreter sein - darunter auch welche, die vom Redakteursrat nominiert werden, um sicherzustellen, dass unabhängige JournalistInnen immer im Aufsichtsgremium vertreten sind.
  • Die Mitbestimmungsrechte der Redaktionen bei journalistischen Führungskräften sollen verbessert werden, so wie bei nationalen und internationalen Qualitätsmedien üblich.

Die Resolution im Wortlaut

Bereits seit Jahren folgt im ORF - so wie in vielen anderen österreichischen Redaktionen - ein Sparprogramm auf das nächste. Immer mehr journalistische Arbeitsplätze werden aus finanziellen Gründen reduziert. Informations-Programme werden an externe Produktionsfirmen ausgelagert - und damit die journalistische Qualitätskontrolle erschwert oder unmöglich gemacht. Und als Informations-Programm getarnte Belangsendungen mit dem Titel „Europa backstage“ bieten der heimischen Polit-Prominenz eine Bühne zur Selbstdarstellung - fernab jeglicher journalistischer Grundprinzipien. Hier wird Geld investiert, das für ernsthafte redaktionelle Arbeit fehlt.

Währenddessen bauen die Regierungsparteien systematisch ihre PR-Stellen aus. Nicht nur in den Kabinetten, auch über ein System parteinaher Kanäle, auf denen Politiker nicht von kritischen Fragen behelligt werden. Gleichzeitig wird auf manchen dieser Plattformen gegen seriösen Journalismus Stimmung gemacht, auch mit persönlichen Angriffen und Einschüchterungsversuchen: bisher wurden kritische Fragen an Politiker nur als „unbotmäßig“ denunziert oder die „Neutralisierung“ des ORF gefordert. Jetzt sind es bereits offene Drohungen mit dem Verlust des Arbeitsplatzes, wenn etwa eine Moderatorin Interviewfragen stellt, die einer Regierungspartei nicht gefallen. Hier wird mutwillig der gesellschaftliche Grundkonsens über die Bedeutung des ORF als wichtiger Träger von Österreichs Kultur, Sport, Unterhaltung und vor allem kritischem Journalismus in Gefahr gebracht.

Die Gebührenfinanzierung durch eine Finanzierung aus dem Bundesbudget zu ersetzen, würde den ORF noch mehr vom Wohlwollen der Regierungsparteien abhängig machen. Am Dänischen Rundfunk lässt sich derzeit studieren, wie schnell in so einem System die Mittel politisch bedingt gekürzt und Massenkündigungen von JournalistInnen die Folge sind. Und das alles vor dem Hintergrund immer mächtiger werdender ausländischer Medienkonzerne, die der internationalen politischen Manipulation vor Wahlen und Volksentscheiden Tür und Tor geöffnet haben.

Das Ende des ORF als größtes heimisches Medienunternehmen würde bedeuten, dass reichweiten-starke Boulevard-Medien und parteinahe Propaganda-Plattformen dann die wichtigsten „Informationsträger“ für breite Teile der österreichischen Bevölkerung wären. Kritischer Qualitätsjournalismus würde nur mehr in ganz wenigen Medien stattfinden - mit deutlich geringerer Breitenwirksamkeit.

Selbstverständlich sind die Parteien zentrale Träger unserer Demokratie. Wenn es aber beim größten Medium des Landes um Kontrolle und Einfluss geht, haben die Parteien einen offensichtlichen Interessenskonflikt. Daher soll das Aufsichtsgremium des ORF, der Stiftungsrat, so besetzt werden, dass es bei Entscheidungen in allererster Linie um die Interessen des Publikums, des Unternehmens und seiner MitarbeiterInnnen geht.

Forderungen der Redaktionen

Zur Stärkung der politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit hat die Redakteursvertretung eine ganze Reihe von Maßnahmen ausgearbeitet. So muss die „Streaming-Lücke“ beim Rundfunkbeitrag geschlossen werden, die dem ORF zunehmend Einnahmen-Ausfälle beschert. Die gesetzliche Gebührenbefreiung von mehr als 300.000 Haushalten muss zumindest teilweise refundiert werden. So wie das auch bei den Telekom-Betreibern der Fall ist.

Die Beschränkungen im Online-Bereich sind anachronistisch und sollen an die Erfordernisse einer modernen Medienwelt angepasst werden. Weiters:

  • Im Stiftungsrat sollen anerkannte MedienexpertInnen einen fixen Anteil haben, um fachliche Expertise in diesem Aufsichtsgremium sicherzustellen.
  • Abstimmungen im Stiftungsrat sollen geheim sein.
  • Ein Drittel der Stiftungsräte müssen Belegschaftsvertreter sein - darunter auch welche, die vom Redakteursrat nominiert werden, um sicherzustellen, dass unabhängige JournalistInnen immer im Aufsichtsgremium vertreten sind.
  • Die Mitbestimmungsrechte der Redaktionen bei journalistischen Führungskräften sollen verbessert werden, so wie bei nationalen und internationalen Qualitätsmedien üblich.

Wir Redakteurinnen und Redakteure des ORF wollen mit unseren Programmen unser Publikum jeden Tag aufs Neue überzeugen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk wichtig für Österreich ist. Daher appellieren wir an die Verantwortungsträger der Republik, den Bestand des ORF als Leitmedium des Landes nicht zu gefährden. Das mag kurzfristigen Eigeninteressen von politischen Parteien widersprechen - aber nur ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk garantiert verlässliche, umfassende und objektive Berichterstattung für die gesamte Bevölkerung.